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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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zwei Finger an die Mütze legte. Nachdem die Ausstiegsluke der Nautilus geschlossen worden war, verschwand das
U-Boot fast geräuschlos im dunklen Wasser der Themse. Orphan blieb allein auf
dem Kai zurück. Ringsum war plötzlich alles still.
    Zum ersten Mal wurde er in der Nähe von Whitechapel angegriffen. Die
Straßen waren menschenleer, was er seltsam fand, und in nur sehr wenigen
Fenstern brannte Licht. Es war, als hätten die Einwohner die Stadt verlassen.
Gleichzeitig lag jedoch eine erwartungsvolle, gespannte Stille über der
Umgebung, die ihn nervös machte.
    Der Überfall fand am Spitalfields Market statt. Orphan überquerte
die leere Straße, den Blick auf die fernen, den Nebel durchdringenden Lichter
des Babbage Tower gerichtet. Er bemerkte den Mann erst, als sich dieser mit
einem Messer aus dem Nebel auf ihn stürzte. Orphan wich instinktiv zur Seite
und trat nach dem Mann, wie er es einmal bei Aramis gesehen hatte.
    Und traf seinen Angreifer – wenn auch eher dank eines Zufalls als
infolge seines Geschicks –, der vor Schmerz aufächzte. Orphan griff nach seinem
Revolver, einem Abschiedsgeschenk von Verne, fummelte damit herum …
    Der Mann holte erneut mit dem Messer nach ihm aus. Orphan drückte
ab.
    Der Angreifer stürzte zu Boden. In dem Moment sah Orphan sein
Gesicht. Vor Schreck wäre er fast zurückgeprallt.
    Es war ein Echsenpunk.
    Solche Echsenpunks hatte er in Nantes gesehen, ein unvergesslicher
Anblick. Echsenboys hatte Verne sie genannt. Aber was hatte der hier zu suchen?
    Das Gesicht des Punks war mit grünen Streifen bemalt, sein runder
Schädel bis auf einen in der Mitte verlaufenden Streifen stachligen Haars kahl
geschoren. Als ihn der verwundete Mann anzischte, sah Orphan, dass seine Zunge
in der Mitte durchgeschnitten war, um der gespaltenen Zunge einer Echse zu
ähneln.
    Der Mann versuchte aufzustehen. Das Messer in seiner Hand war
blutig. Offenbar hatte er bereits jemand anders überfallen, vielleicht sogar
getötet.
    Er ging erneut auf ihn los.
    Orphan verpasste ihm eine weitere Kugel.
    Der Echsenboy sackte zusammen, das Messer fiel ihm aus der Hand.
    Wer war das?, überlegte Orphan. Ein Killer, sicher. Aber ein
Echsenboy? Hier?
    Er steckte den Revolver in das Halfter zurück. Unter seinem dicken
Mantel war er ins Schwitzen geraten – an solche Kleidung war er nicht mehr
gewöhnt.
    Was war nur mit der Stadt geschehen?
    Dann setzte er seinen Weg fort, diesmal mit mehr Vorsicht. Er wusste
noch nicht einmal, wo er eigentlich hinwollte. Zu Tom, schoss es ihm durch den
Kopf. Zum Nell Gwynne. Tom würde wissen, was hier vor sich ging. Er wusste
immer Bescheid.
    Als er durch Farringdon kam, zu seiner Linken die alte Stadtmauer,
traf er erstmals auf andere Menschen. Sie marschierten – wegen der Kälte in
dicke Mäntel gehüllt – schweigend die Straße entlang, Männer und Frauen, die
den unterschiedlichsten Schichten angehören mochten und eine Stange mit einer
brennenden Figur vor sich hertrugen.
    Gebannt beobachtete Orphan die stumme Prozession. Die brennende
Figur war riesig und hatte die Gestalt einer Echse. Möglicherweise sollte sie
die Königin darstellen, vielleicht aber auch nur ein Symbol für alle Echsen
sein. Das ließ sich nicht mehr genau feststellen, da die Figur bereits
lichterloh brannte.
    Was war hier los? Orphan zog sich ins Halbdunkel zurück, um
weiterhin Beobachtungen anzustellen. Auf die erste Gruppe folgte eine zweite,
die ebenfalls eine Figur mit sich führte und deren Mitglieder mit schwarzen
Kapuzen vermummt waren.
    Diese Figur brannte nicht.
    Bestürzt starrte Orphan sie an. Sie stellte einen Mann in
prachtvollem Gewand dar, der ein Zepter in der Hand hielt.
    Er trug eine Krone und hatte kein Gesicht.
    Als die Gestalten an ihm vorüberzogen, drehte jene an der Spitze den
Kopf, sodass das Licht des Feuers kurz auf ihr Gesicht fiel. Sie spähte in die
Dunkelheit und schien Orphan direkt anzublicken, der sie schockiert wiedererkannte.
    Isabella Beeton.
    Sah sie ihn? Das vermochte er nicht zu sagen. Sie wandte den Kopf ab
und marschierte weiter, gefolgt vom Bild des Königs.
    Wo immer Isabella Beeton auftauchte, roch es nach Verschwörung.
Trotzdem wäre er ihr fast hinterhergerannt, weil er sie kannte und sie immer
freundlich zu ihm gewesen war.
    Doch er rührte sich nicht von der Stelle. Er wusste nicht, was hier
geschah. Die Stadt hatte sich

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