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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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verändert, war zu einem gefährlichen Ort
geworden, wo man mit allem rechnen musste. Der Anblick dieses mitternächtlichen
Marsches beunruhigte ihn zutiefst. Eine brennende Echse …
    Doch es war die andere Figur, die seinen Herzschlag beschleunigte
und ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Der gekrönte Menschenkönig.
    Er brauchte unbedingt ein Obdach und Informationen.
    Der zweite Angriff auf Orphan erfolgte in den frühen Morgenstunden,
als die Sonne aufging und die Straßen der Stadt mit ihrem blassen Licht in
etwas verwandelte, das vertrauter wirkte und aus dem die nächtlichen Gefahren
zumindest zum Teil gewichen zu sein schienen.
    Er ging den Strand entlang, der merkwürdigerweise menschenleer war,
sah man einmal von einem Bettler ab, der im Eingang von Gibbons’
Briefmarkenladen lag und schlief. Kurz bevor er den Bull Inn Court erreichte –
und damit, wie er hoffte, die Sicherheit des Nell Gwynne –, erhielt er von
hinten einen Schlag auf den Kopf.
    Der Schmerz in seinem Schädel breitete sich wie ein rasch wachsender
Pilz aus. Nach Atem ringend, stürzte er zu Boden, wo er benommen liegen blieb.
Hände – die Hände eines Experten – durchsuchten seine Taschen, dann hörte er
jemanden wegrennen, ohne seinen Angreifer zu Gesicht bekommen zu haben.
    Nach einer Weile ließ der Schmerz nach. Als er sich stöhnend
aufzurichten versuchte, spürte er jemanden neben sich und schlug instinktiv um
sich.
    Â»Sir!«, sagte eine raue Stimme. Orphan drehte sich zur Seite und
erblickte den Bettler vom Briefmarkenladen, der sich, in schmutzige Lumpen
gehüllt, über ihn beugte. »Ich bin nur ein armer Bettler und will Eurer Lordschaft
helfen!«
    Â»Da kommen Sie ein bisschen spät«, erwiderte Orphan mürrisch. Sein
Kopf tat weh, sein Revolver und sein Geld waren verschwunden. Immerhin hatte
man ihm das alte Buch seiner Mutter gelassen, zweifellos weil es sich nicht
lohnte, es zu stehlen. Bücher waren in dieser Stadt ein wohlfeiler Artikel. Wie
eine Last lag das Gewicht all der Wörter auf den Straßen, der unzähligen
Wörter, die wie am Fließband von Männern und Frauen produziert und Tag und
Nacht von den Druckerpressen ausgespuckt wurden.
    Geld und eine Waffe – da wusste man, woran man war. Aber ein Buch?
Was brachte das schon ein?
    Â»Haben Sie gesehen, wer das war?«, fragte Orphan.
    Der Bettler schüttelte betrübt den Kopf. »Ein gewöhnlicher Dieb«,
sagte er, »der längst über alle Berge ist.«
    Â»Anzunehmen«, erwiderte Orphan. Als er sich hochrappelte, geriet er
ins Taumeln.
    Â»Kommen Sie«, sagte der Bettler. »Setzen Sie sich einen Moment hin.«
Er führte Orphan zum Eingang des Ladens und half ihm, sich niederzulassen.
Anschließend nahm er neben ihm Platz und holte eine kleine Taschenflasche
hervor.
    Â»Trinken Sie einen Schluck«, forderte ihn der Bettler auf. »Das wird
Ihnen helfen. Außerdem wird Ihnen dann gleich wärmer.«
    Orphan warf einen Blick auf die Flasche, die zwar alt und
abgegriffen war, aber das Monogramm S. H. trug. Wie der Bettler wohl an diese
Flasche gekommen sein mochte? Ob er sie gestohlen hatte? Oder hatte er sie
einfach auf einem Abfallhaufen gefunden? Misstrauisch beäugte Orphan die
Flasche.
    Grinsend zog der Bettler den Korken aus der Flasche und reichte sie
Orphan. »Whisky«, sagte er. »Eine wunderbare Medizin.«
    Orphan trank einen Schluck Whisky, der ihm wie flüssiges Feuer durch
die Kehle rann und Hitze in ihm aufwallen ließ. Er musste husten, Tränen
schossen ihm in die Augen. Der Bettler klopfte ihm auf den Rücken. Seine
scharfen Gesichtszüge und die vorspringende Nase weckten eine dunkle Erinnerung
in Orphan. »Kennen wir uns?«, fragte er.
    Â»Denkt, Regen, Donner, Wind«, entgegnete der Bettler, »des irdschen
Menschen Gebrechlichkeit kann euch nicht widerstehn! Auch meines Leibes
Schwäche muss gehorchen.«
    Orphan betrachtete ihn genauer. Das Gesicht hatte etwas Vertrautes.
Er hatte einmal kurz einen Blick darauf geworfen, mitten in der Nacht, von
einem kalten Korridor aus …
    In Guy’s Hospital. Es hatte zu einem Mann gehört, der erstarrt in
einem Sarg lag und dessen Bruder …
    Â»Wer sind Sie?«, fragte Orphan und versuchte, sich zu erheben.
Sofort wurde ihm schwindlig, außerdem gehorchten ihm seine Beine nicht mehr.
    Â»Ein Freund«, sagte der

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