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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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anderen Roboter warfen sich auf sie. Als es Orphan endlich
gelang, sich hochzurappeln, schleppte man William bereits weg. Bevor Orphan
dazu kam, die Verfolgung aufzunehmen, raste die Karosse mit Donnergetöse davon
und pflügte sich durch die Menschenmenge, die voller Panik auseinanderstob. Wer
nicht schnell genug war, wurde von den Haifischflossen getroffen, die wie
Klingen aus den Seiten ragten, und fiel mit einem Aufschrei tödlich verwundet
zu Boden.
    Innerhalb weniger Sekunden war das Vehikel verschwunden.
    Orphan und Irene blieben allein vor dem Simpson’s zurück.
    Der andere war entführt worden. Doch als sie miteinander kollidiert
waren, war es ihm noch gelungen, Orphan das Ei des Binders zuzustecken, das
Orphan in seiner Kleidung verbarg. Er spürte bereits die Wirkung des Eis, hörte
es flüstern und hatte das Gefühl, eine Spinne kröche langsam in ihn hinein.
    Â»Wir müssen von hier weg, bevor die Polizei eintrifft«, sagte
Irene, was Orphan beinahe zum Lachen gebracht hätte. Bei ihrer letzten
Begegnung war Irene Adler noch die Polizei gewesen. Voller Sorge dachte er an
seinen Doppelgänger. Was wohl mit ihm geschehen würde? Er hatte irgendwie …
versehrt gewirkt. Er musste ihn retten, wusste aber nicht, wie. Vielleicht
konnten Byron und Irene ihm helfen. Fürs Erste blieb ihm nichts anderes übrig,
als ihnen zu vertrauen. Deshalb folgte er Irene durch die Tür des Restaurants.
    Ob es regnete, schneite oder eine Revolution gab – das Simpson’s
blieb geöffnet. Am Eingang hieß ein livrierter Portier sie würdevoll
willkommen, warf einen missbilligenden Blick auf Orphans Kleidung und sagte:
»Nur in Gesellschaftskleidung, Sir.«
    Â»Können Sie ihm was besorgen, Anton?«, entgegnete Irene. »Wir
haben’s eilig.«
    Â»Gewiss, Madam.« Anton verschwand in die Garderobe und kam mit einem
braunen Jackett zurück, das Orphan bereitwillig anzog.
    Â»Der Gentleman erwartet Sie oben, Madam«, teilte Anton mit und
führte sie zum Fuß der Treppe.
    Auf dem Weg nach oben stieg ihnen Zigarrenrauch in die Nase, und das
Klirren von Eiswürfeln in hohen Gläsern war zu hören, ebenso wie die Klänge
eines Klaviers. Am oberen Ende der Treppe blieb Anton stehen, um etwas zu
sagen, wurde jedoch von Irene daran gehindert. »Bitte kündigen Sie uns nicht
an, Anton.«
    Â»Sehr wohl, Madam«, erwiderte Anton. »Bitte gehen Sie geradeaus
weiter. Der Gentleman befindet sich im Bankettsaal. Der ist direkt vor Ihnen,
Sir«, erläuterte er, an Orphan gewandt.
    Orphan murmelte ein »Danke« und folgte Irene durch die große offene
Tür in den Speisesaal. Dabei bemerkte er, woher die Musik kam – von einem
Babbage-Piano, dessen Tasten sich automatisch bewegten.
    Hier im Simpson’s wurden der Lärm und die Gefahren der Außenwelt –
die Demonstrationen, die Bomben, der ganze Schmutz und das ganze Leid – zu
einem fernen Hintergrundgeräusch, als schlügen sanfte Wellen an einen
tropischen Sandstrand. Der weitläufige Raum war voll vornehmer Gäste, die etwas
tranken, sich unterhielten und gespannt zusahen, wie der Küchenchef an einem
silbernen Servierwagen stand und ein riesiges Stück Rindfleisch tranchierte.
    In einer Ecke des Raumes saß, den Rücken den zum Strand gehenden
Fenstern zugekehrt, der Mechanische Türke.
    Wie war der Türke hierher gelangt? Er war eine Maschine, die sich
nicht von der Stelle bewegen konnte, und nur seine obere Hälfte hatte
Menschengestalt. Doch dann fiel Orphan ein, dass sich der Türke ja auch noch an
anderen Orten als der Egyptian Hall aufgehalten hatte. Wurde er vielleicht
auseinandergenommen, bevor er den Standort wechselte? War das für einen
Automaten eine Form von Schlaf? All das war Orphan ziemlich schleierhaft.
    Neben dem Türken saß Lord Byrons Simulacrum.
    Â»Orphan«, sagte der Türke, dessen Stimme sich jetzt noch kratziger
und abgehackter anhörte als bei ihrer ersten Begegnung. »Wie schön, dich
wiederzusehen.«
    Â»Ich wünschte, das könnte ich auch sagen«, erwiderte Orphan, worauf
der Türke lachte. Byron nickte ihm zur Begrüßung stumm zu. Betreten blieb
Orphan vor ihrem Tisch stehen. Er hatte nicht damit gerechnet, den beiden noch
einmal zu begegnen.
    Aber so ist es eben im Simpson’s, dachte er bei sich. Hier wurden
alle bedient, ob Menschen, Echsen oder Maschinen.

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