Bookman - Das ewige Empire 1
musste?
In dem Moment begriff ich alles, Orphan.
Der Bookman steckte dahinter.
Er war in meine Gedanken eingedrungen und hatte dort die betreffende
Information gefunden. Er hatte Sebastian Moran auf
uns angesetzt.
Erst da wurde mir klar, Orphan, dass Marys Tod
meine Schuld war .
Gilgameschs Gestalt verblasste.
»Es war meine Schuld, Orphan«, wiederholte er. Auch seine Stimme
wurde immer schwächer.
»Was ist aus ⦠aus Kangee geworden?«, fragte Orphan, um in Gedanken
hinzuzufügen: Was ist aus meinem Dad geworden?
»Er hat versucht, dich groÃzuziehen. Vielleicht hätte er Rache
genommen, wenn es dich nicht gegeben hätte. Aber Sebastian Moran war ohnehin
nach Indien verschwunden. Kangee arbeitete weiterhin als Matrose, und in seiner
Abwesenheit kümmerten sich die Frauen verschiedener anderer Seeleute um dich.
Als du zwei Jahre alt warst, fuhr er auf einem Handelsschiff nach Indien. Von
dieser Reise ist er nie zurückgekehrt. Es hieÃ, er sei betrunken über Bord
gefallen. Aber dein Vater war selten betrunken, und nie an Bord eines
Schiffes.«
»Wurde er ermordet?«
Gilgamesch, von dem mittlerweile nur noch die Umrisse zu erkennen
waren, zuckte die Achseln.
»Da gab es nur noch dich ⦠eine Waise. Ich habe dich immer im Auge
behalten.« Das Letzte, was von Gilgamesch jetzt zu sehen war, waren seine
Augen, die blicklos ins Nichts starrten. »Aber der Bookman ebenfalls.«
34
Simpsonâs-in-the-Strand
Am Abend war ich mit ihm im Simpsonâs
verabredet.
Wir saÃen an einem kleinen Tisch beim
Fenster, von dem aus wir
auf das geschäftige Treiben am Strand
hinabblicken konnten,
und er erzählte mir, was sich ereignet
hatte.
Arthur Conan Doyle, Die Fälle des
Sherlock Holmes
In den Zellen schleppte sich die Zeit dahin. Sowohl Orphan
als auch sein Doppelgänger hing seinen eigenen Gedanken nach.
Irgendwann riss ein Geräusch Orphan aus seiner Versunkenheit. Es
hörte sich an, als öffnete und schlösse jemand die Tür am Ende der Treppe, und
zwar in aller Heimlichkeit, damit niemand etwas bemerkte. Er lauschte, konnte
jedoch nichts weiter hören. Der andere hatte sich in seine Decke gehüllt und schien
zu schlafen.
Dann vernahm er wieder ein Geräusch, diesmal anderer Art. Offenbar
kam jemand leise die Treppe herunter und näherte sich den Zellen.
Voller Spannung wartete er. Da war doch jemand! Er spielte mit dem
Gedanken, Alarm zu schlagen, aber würde das auch jemand hören? Er öffnete den
Mund â¦
»Hallo, Orphan«, sagte da eine vertraute Stimme.
Auf der anderen Seite des Gitters stand Irene Adler.
Orphan starrte sie an. Dann hatte man sie also doch benachrichtigt.
»Inspektorin!«, sagte er, was sie mit einem müden Lächeln und einem
Kopfschütteln quittierte. »Ich bin keine Inspektorin mehr, Orphan.«
Irene Adler sah erschöpft aus. Ihr Gesicht wies neue Falten auf, vor
allem um die Augen. Ihr Haar war zerzaust, ihre Haut schien alle Farbe verloren
zu haben. Was war seit ihrer letzten Begegnung bloà mit ihr geschehen?
»Haben Sie meine Nachricht erhalten?«, fragte er.
Ein überraschter Ausdruck huschte über Irenes Gesicht. »Was für eine
Nachricht?«
»Die zwei Polizisten, die mich verhaftet haben â¦Â«
Irene lachte. »Nein. Ich bin nicht mehr bei der Polizei. Sherlock
hat mir gesagt, dass Sie hier sind. Nachdem er Sie unter Drogen gesetzt hat.
Wir haben Sie zurückerwartet.«
»Sherlock?« Die Flasche mit den Initialen fiel ihm ein. Das Gesicht
war ihm bekannt vorgekommen ⦠»Mycrofts Bruder? Ich dachte, der sei tot.«
Irene schüttelte den Kopf, während ein warmes Lächeln ihr Gesicht
erhellte. »Er war nie tot, verstehen Sie. Das war ein Bluff. Man hat ihn gegen
ein Simulacrum ausgetauscht, eine primitive Kopie, die zwar nicht denken kann,
aber â¦Â«
»â¦Â genauso aussieht wie er?«
Sie lächelte von Neuem. »Er hatte Hilfe von jenseits des Kanals. Er
hielt es für sicherer, eine Zeit lang tot zu sein.«
»Und das wussten Sie nicht?« Orphan dachte an die eingefrorene
Leiche, die er in Guyâs Hospital gesehen hatte. Kein Wunder, dass die Ãrzte ihn
nicht hatten wiederbeleben können. Oder war auch das eine Lüge gewesen? Hatte
man vielleicht gar keine Ãrzte konsultiert?
Ein schmerzlicher Ausdruck vertrieb das Lächeln aus ihrem Gesicht.
»Nein. Aber niemand
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