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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Simpson’s war ein berühmtes
Restaurant, das Orphan natürlich noch nie aufgesucht hatte.
    Vor dem Türken lag sein Schachbrett auf dem Tisch. Das ist ein Teil
von ihm, sinnierte Orphan, ein Teil von seinem Körper. Er setzte sich, ohne
dazu aufgefordert worden zu sein. Die Figuren waren bereits aufgestellt, und er
dachte an die Partie zurück, die er vor langer Zeit mit dem Türken gespielt
hatte.
    Orphan fegte die Figuren vom Brett. Sie purzelten nach unten und
rollten über den Boden. Einige der Gäste wandten den Kopf, um sich dann wieder
ihrer Mahlzeit zu widmen. Man war hier schließlich im Simpson’s.
    Â»Mein Freund ist gerade entführt worden«, sagte Orphan und stand
auf. »Ich muss ihn unbedingt finden.«
    Er überlegte, ob der andere wirklich sein Freund war. Er war sein
Ebenbild und doch anders …
    Das seltsame Metallei fiel ihm ein, das Übertragungsgerät, das …
wozu diente?
    Zum Ausbrüten, dachte er mit einem Schauder. Plötzlich wurde ihm
bewusst, wie hungrig er war. Der unwiderstehliche Duft des Roastbeefs zog durch
den Raum.
    Â»Ihr … Freund?«, hakte Byron nach, um Irene dann in scharfem Ton zu
fragen: »Wo ist das Simulacrum? Was ist geschehen?«
    Das Simulacrum. Orphan hätte am liebsten laut aufgeschrien. Der
andere war vollkommen echt, so echt wie er selbst. Orphan konnte sich genau
vorstellen, was der andere jetzt empfand – welche Angst er ausstehen musste,
wie er in der Gefangenschaft litt, weil er nicht wusste, was die Zukunft für
ihn bereithielt beziehungsweise ob er überhaupt eine Zukunft hatte.
    Irene zuckte die Achseln und ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Der
Bookman«, sagte sie, als ob allein dieses Wort alles erklärte.
    Der Name schwebte wie eine Drohung über ihnen und brachte das
Gespräch vorübergehend zum Erliegen. Byron sah Orphan nachdenklich an. »Setzen
Sie sich wieder«, forderte er ihn auf. »In Ihrem gegenwärtigen Zustand sind Sie
niemandem von Nutzen.« Er hob die Hand und winkte einen Kellner heran, der
sofort herbeigeeilt kam. »Bringen Sie uns eine Flasche Bordeaux, Philip. Und
ein Roastbeefsandwich für den Gentleman hier.«
    Â»Gern, Sir«, erwiderte Philip und verschwand in Richtung Küche. An
der Tür kündigte Anton gerade neue Gäste an. »Sir Hercules Robinson«, rief er,
»und Mrs. Isabella Beeton.«
    Orphan drehte sich um. Isabella war gerade hereingekommen. Ihre
Blicke trafen sich.
    Ihr Gesicht nahm einen schockierten Ausdruck an. Kurz schien es so,
als wollte sie auf ihn zustürzen, doch dann ergriff ihr Begleiter ihren Arm.
Ihr Gesicht entspannte sich, ihr Blick blieb jedoch weiterhin auf Orphan
gerichtet, ein Blick, der etwas Beunruhigendes hatte. Es war, als hätte sie ihn
nie zuvor gesehen, fände ihn aber ungeheuer interessant. Orphan kam sich ein
wenig wie ein Schmetterling vor, der aufgespießt in einer Vitrine liegt.
    Â»Kommen Sie, meine Liebe«, sagte ihr Begleiter und führte sie zu
einem Tisch am anderen Ende des Raumes.
    Orphan starrte Sir Hercules an.
    Der Mann war kräftig gebaut, setzte allmählich Fett an und schien in
den Sechzigern zu sein. Er hatte freundliche Augen, mit denen er sich
wohlwollend im Raum umblickte. Der Rest des Kopfes bildete jedoch einen
schockierenden Kontrast dazu.
    Sein Schädel war kahl geschoren und mit Echsenstreifen bemalt oder
vielleicht auch tätowiert. In seinen Ohrläppchen steckten runde Ohrringe, was
Orphan sofort an die Piraten erinnerte. Er legte die Lässigkeit eines Boxers an
den Tag, obwohl er in Wirklichkeit der beste Kolonialbeamte des Empire und ein
bedeutender Kaufmann war.
    Orphan kannte ihn nur vom Namen. Hercules Robinson war Gouverneur
von Hongkong, das zum Empire der Echsen gehörte. Er hatte den Vertrag mit dem
Feejee-König Cakobau ausgehandelt und die Handelsabkommen mit den Zulu in
Afrika zustande gebracht. Später wurde er dann zu einem großen Handelsherrn
(den die Königin Gerüchten zufolge bald in den Adelsstand erheben würde), der
in China Kapital investiert hatte und überdies an der Babbage Company beteiligt
war. Obwohl er ausgezeichnete Verbindungen zum Königshaus hatte, war er ein
guter Freund von Marx, womit sich dieser Orphan gegenüber einmal gebrüstet
hatte.
    Das Simpson’s war möglicherweise der einzige Ort in der Stadt, wo all
die Verschwörer zusammenkamen und speisten, als ob

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