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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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so schnell, dass er keine Einzelheiten
erkennen konnte, nur etwas Unbestimmtes ausmachte, das hinter einem
Bücherstapel lauerte. Erst jetzt verspürte er Angst. Hier unten lebten
irgendwelche Wesen. Ihm schoss die verrückte Idee durch den Kopf, dass es hier
möglicherweise einen in den unterirdischen Höhlen der Bodleian verschollenen
Stamm von Bibliothekaren gab, einen wilden, primitiven Stamm, der sich von
unvorsichtigen Reisenden ernährte. In diesem Moment leuchtete das Ei in seiner
Hand auf, erwachte zum Leben, und er merkte, wie es sich zurechtzufinden
versuchte, um ihm schließlich eine Anweisung zu übermitteln.
    Die er befolgte.
    Im unheimlichen Dämmerlicht gewahrte er, dass sich die Stapel nach
allen Richtungen ausbreiteten, bis sie in unermesslicher Ferne verschwanden.
Sie bildeten ein Muster, das er in seiner ganzen Komplexität nicht zu begreifen
vermochte, ein Muster aus Sternen und Pentagrammen, die wie Inseln in einem
riesigen Ozean wirkten. Der Anweisung in seinem Kopf folgend, bahnte er sich
einen Weg durch diese Landschaft aus altem Papier. Das Flüstern schwoll immer
stärker an. Er wusste schon nicht mehr, ob es echt war oder nur in seinem Kopf
existierte. Um ihn herum sprangen und tanzten und lauerten Schatten,
begleiteten ihn, stets am Rande seines Blickfelds. Er merkte, dass er immer
nervöser wurde und ihm die Hände zitterten. Einmal ließ er das Ei fast fallen.
    Plötzlich zerriss ein echtes, ein ohne jeden Zweifel echtes Geräusch
die Luft. Orphan blieb wie erstarrt stehen.
    Jemand – ein Mensch – schrie.

36
Die Seele der Neuen Maschine
    Inmitten des Worts, das er wollte bekunden,
Inmitten von schallend’ Gelächter,
War plötzlich ganz leise er völlig verschwunden,
Denn der Schnai war ein Buhbam, ein echter.
    Lewis Carroll, Die Jagd auf den Schnai
    Rennend gelangte Orphan auf eine Lichtung im Bücherwald.
Hier gab es richtiges Licht, das ihn im ersten Moment schmerzhaft blendete.
    Es ging von jenen Kugeln aus, die er vom Versteck des Bookman unter
der Charing Cross Road her kannte und denen er in den Höhlen auf Calibans Insel
wiederbegegnet war.
    Vor ihm stand, von Licht beleuchtet, sein erstarrter Doppelgänger,
einen Arm vorgestreckt, den Mund noch zum Schrei geöffnet.
    Und neben ihm stand der Bookman.
    Erschaudernd betrachtete Orphan die Gestalt, die er damals nur
schemenhaft wahrgenommen hatte, und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
    Was er da vor sich sah, war ein Monster, ein fremdartiges,
unfassbares Geschöpf, dessen Körper sich aus den vielfältigen Segmenten eines
gigantischen wirbellosen Tiers zusammensetzte, eine raupenartige Kreatur mit
Facettenaugen, die an langen Stielen saßen und in alle Richtungen zugleich
starrten. Doch es war etwas anderes, das Orphan einen Schrecken einjagte:
Jetzt, da er den Bookman zum ersten Mal deutlich sah, wurde ihm etwas klar, das
ihm nie zuvor in den Sinn gekommen war.
    Der Bookman war alt. Und die Zeit war nicht spurlos an ihm
vorübergegangen.
    Die Segmente seines Körpers hatten die Farbe verfaulter Pflanzen, in
die sich ein brauner Erdton mischte. Hier und da sickerte grüner Eiter aus
offenen Geschwüren. Der Körper war mit Narben und Schnittwunden überzogen, die
von den Krallen einer riesigen mechanischen Echse zu stammen schienen, und die
unzähligen Beinchen des Bookman schafften es offenbar kaum, den voluminösen
Körper zu tragen.
    Â»Wo ist es?«, brüllte der Bookman. »Wo …?«
    Die Augenstiele drehten sich, die Facettenaugen richteten sich auf
Orphan, der breite Mund öffnete sich.
    Der Bookman stieß einen Schrei aus.
    Der Boden erbebte. Aus der Ferne war ein Poltern zu hören, als
stürzten mehrere Bücherstapel ein. Der Wutschrei des Bookman versetzte die Welt
um ihn herum in Schrecken. Die schattenhaften Gestalten huschten davon, das
Geflüster hörte abrupt auf.
    Â»Sie!«
    Orphan hielt das Ei des Binders schützend vor sich. Er kam sich wie
ein Kind am Strand vor, das versuchte, mit nichts als einem Seestern ein
Meeresungeheuer abzuwehren. Die Augenstiele beugten sich in seine Richtung.
Sich wie ein Wurm oder eine Schlange windend, bewegte sich der Bookman auf ihn
zu.
    Â»Geben Sie es mir!«
    Da begriff Orphan noch etwas, und zwar etwas, das ihn zutiefst
schockierte.
    Der Bookman war dem Tode nah.
    Orphan starrte ihn an. Das Übertragungsgerät in seiner Hand
leuchtete

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