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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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hörte er aus der Ferne Geräusche, erst das Kreischen eines
Vogels, dann ein anderes Tier, möglicherweise ein Affe – Laute, die er
beruhigend fand, da sie natürlicher Art waren.
    Die Geräusche nahmen zu. Einmal meinte er, eine Explosion zu hören,
und blieb wie erstarrt stehen. Vom Himmel war nicht viel zu sehen, sodass er
keine Möglichkeit hatte, nach Anzeichen von Rauch Ausschau zu halten. Die Bäume
standen wieder dicht an dicht, und der grüne Baldachin über ihm schloss ihn ein
wie das Dach eines Gefängnisses.
    Kurz darauf hörte er eine weitere Explosion. Das Geräusch schien aus
der Richtung zu kommen, die er eingeschlagen hatte, das heißt, aus dem Inneren
der Insel, obwohl er das nicht mit Sicherheit zu sagen vermochte.
    Inzwischen war der Pfad schmaler geworden, bis er auf einmal ganz
aufhörte und Orphan sich fluchend durch dichtes Gestrüpp kämpfen musste.
Schließlich machte er halt, gereizt und erschöpft, und wischte sich mit dem
Saum seines Hemdes den Schweiß vom Gesicht.
    Da erblickte er das Mädchen.

28
Elizabeth
    â€¦ Sprecht leise, lieber Prinz!
Der König, euer Vater, wünscht zu schlafen.
    William Shakespeare, König Heinrich IV.
    Sie stand unter einem Baum mit mächtigem geflecktem Stamm.
Sie hatte braune Haut, eine spitze Nase und große runde Augen von – wie Orphan
schon von Weitem erkennen konnte – tiefblauer Farbe. Bekleidet war sie mit
einem Overall von der Art, die man in Fabriken trug. Ihre Arme und Füße waren
nackt. Sie konnte nicht viel älter als sieben sein.
    Orphan war stehen geblieben, als er sie sah, und rührte sich nicht
von der Stelle. Eine Weile starrten die beiden einander an, ohne dass einer von
ihnen auch nur die geringste Bewegung machte. Schließlich legte das Mädchen den
Kopf schief, um Orphan mit forschendem Blick zu mustern. Sein Auftauchen schien
sie eher zu faszinieren als zu beunruhigen. Orphan kam zu Bewusstsein, wie
unordentlich und abgerissen er aussehen musste. Wie jemand aus einer
Abenteuergeschichte, dachte er lächelnd bei sich.
    Das Mädchen erwiderte sein Lächeln. »Bist du Ingenieur?«, fragte sie
mit hoher, klarer Stimme. Im Wald ringsum war es sehr still.
    Ingenieur? Aber natürlich. Irgendwo auf dieser Insel mussten
Ingenieure sein, das heißt, Leute, die die Marssonde bauten und ihren Abschuss
vorbereiteten. Und wenn es Ingenieure gab, dann waren sicher auch noch andere
da – weitere Spezialisten, Putzfrauen, Köche und dergleichen. Möglicherweise
lebte eine ganze Kolonie von Menschen auf der Insel.
    Â»Was meinst du?«, fragte er.
    Â»Wie ein Ingenieur siehst du eigentlich nicht aus«, stellte das
Mädchen fest.
    Â»Sondern?«
    Â»Wie ein Pirat.« Orphan zuckte zusammen, und das Mädchen lachte.
»Wie ein großer, schlimmer Pirat!«, erklärte sie. »Bist du einer?«
    Â»Nein«, erwiderte Orphan, worauf das Mädchen enttäuscht das Gesicht
verzog. »Ich war mal einer«, fügte Orphan hinzu, »aber nur, weil ich keine
andere Wahl hatte.«
    Â»Oh!«, sagte das Mädchen. »Davon musst du mir unbedingt erzählen!«
Vorsichtig kam sie auf ihn zu und machte ein paar Schritte vor ihm halt. »Wenn
ich groß bin, will ich nämlich Piratin werden«, sagte sie, als vertraute sie
ihm ein wichtiges Geheimnis an.
    Das Mädchen war Orphan ein Rätsel. Sie ging barfuß im Dschungel
spazieren, als wäre sie hier aufgewachsen. Doch ihre Kleidung schien Fabrikware
zu sein, war sauber und gebügelt (ganz im Gegensatz zu seiner eigenen). Ihr
langes schwarzes Haar sah ungepflegt aus, die dunkle Bräunung ihrer Haut ließ
darauf schließen, dass sie ihr ganzes bisheriges Leben im Klima der Karibik
verbracht hatte. Ihre Aussprache hingegen …
    War klar, präzise und förmlich. So sprach die Schickeria in
Kensington und Knightsbridge, so redete man in Gesellschaftsromanen, deren
Figuren im Ritz Tee tranken (diese Romane hatte Orphan, wie er zu seiner Schande
gestehen musste, eine Zeit lang förmlich verschlungen). Jedenfalls wirkte die
Aussprache auf dieser Insel so deplatziert wie er selbst.
    Â»Wo wohnst du denn?«, fragte er. Das Mädchen zuckte die Achseln.
Offenbar hielt sie die Frage für ziemlich albern. »Hier«, antwortete sie.
    Natürlich.
    Â»Und wo sind deine Eltern?«, hakte Orphan nach.
    Das Mädchen zeigte mit dem Daumen nach

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