Bookman - Das ewige Empire 1
nicht
einmal schreien konnte. Er hatte Angst wie noch nie zuvor im Leben. »Bitte â¦Â«,
flüsterte er.
Langsam hob die Spinne eines ihre Beine und presste es gegen Orphans
Stirn. In seinem Kopf brach ein Vulkan des Schmerzes aus und ergoss seine
glühende Lava durch seinen ganzen Körper.
Diesmal schrie er auf. Das Bein presste sich immer fester gegen
Orphans Stirn, bis es schlieÃlich in sein Gehirn eindrang.
Er hörte noch, wie der Binder murmelte: »Ich brauche einen Abdruck
vom â¦Â«, dann brach in seinem Kopf ein Orkan der Schmerzen los. Nachdem er von
Neuem aufgeschrien hatte, schlug eine gigantische schwarze Welle über ihm
zusammen, und er verlor das Bewusstsein.
27
Die geheimnisvolle Insel
Als wäre es gestern gewesen, kann ich mich
noch an die grüne Stille
der Insel und den leeren Ozean um uns herum erinnern.
Dieser Ort schien mich zu erwarten.
H. G. Wells, Die Insel des Dr. Moreau
Als Orphan wieder zu sich kam, lag er rücklings auf schwankendem
Boden. Seine Schmerzen hatten nachgelassen, waren genau genommen verschwunden.
Zu seiner Ãberraschung stellte er fest, dass er einen klaren Kopf hatte und
seine Sinneswahrnehmungen in keiner Weise eingeschränkt waren. Er konnte das
Meer riechen, spüren, dass er auf einem glatten, nach unten gewölbten Boden
lag. Er öffnete die Augen. Der Himmel über ihm war von wolkenlosem Blau. Das
Schwanken hielt an. Als er den Kopf drehte, sah er die Bordwand eines Bootes.
Wo � Sein Daumen! Entsetzt hob er die Hand und starrte sie an. Was �
»Das ist eine Prothese«, sagte über ihm eine vertraute Stimme. »So
gut wie das Original, mein Junge.«
Das war Kapitän Wyvern. Orphan hob den Kopf. Er lag auf dem Boden
eines Bootes, das auf der Stelle zu treiben schien. AuÃer Wyvern saà auch noch
Aramis darin. »Stehen Sie auf!«
Orphan erhob sich und starrte benommen auf seinen Daumen. Wie er
feststellte, konnte er ihn ohne Schwierigkeiten bewegen. Er bestand aus â¦
Orphan berührte ihn. Der Daumen fühlte sich warm an. War das irgendein Metall?
Die Farbe war fast die von Haut, obwohl Orphan unter der Oberfläche einen
dunkleren, irgendwie silbrigen Farbton wahrzunehmen meinte. Er hob die Hand,
verlor die Balance und hielt sich schnell am Bootsrand fest. Der Daumen
funktionierte, als wäre es sein eigener. Nein: Jetzt war es
sein eigener.
»Was ⦠ist geschehen?«, fragte er, um dann hinzuzufügen. »Der Binder �«
»Du wolltest doch auf Calibans Insel, oder?«, sagte Aramis.
»Ja«, erwiderte Orphan.
»Und ich habe dich zu jemandem gebracht, der dir helfen konnte. Zum
Binder.«
Orphan erschauderte. Die Erinnerung an die Spinne erfüllte ihn mit
Entsetzen. »Ich muss mal pinkeln«, sagte er.
Wyvern stieà ein keckerndes Lachen aus, das den Geräuschen ähnelte,
die Geckos von sich geben, wenn sie über die Decke eines Zimmers huschen. Ohne
auf Wyvern zu achten, arbeitete sich Orphan vorsichtig zum anderen Ende des
Bootes vor.
Er erleichterte sich ins Meer. Solche Bedürfnisse sollten Helden
eigentlich nicht haben, dachte er. Ringsum war alles still. Er hatte das
Gefühl, einsam und allein im Zentrum einer unermesslichen Leere zu stehen.
Aber ich bin kein Held, setzte er seine Ãberlegungen fort, nachdem
er seine Blase entleert hatte. Sogleich fühlte er sich besser. Helden neigten
dazu zu sterben. Orphan hingegen hatte es geschafft, am Leben zu bleiben.
Zumindest bisher.
»Dreh dich um«, forderte Aramis ihn auf.
Orphan gehorchte und verlor erneut das Gleichgewicht.
Vor ihm erhob sich eine Insel.
Die Insel sah in keiner Weise auÃergewöhnlich aus. Der Strand
bestand aus feinem schwarzem Sand. Das Gelände dahinter stieg zu einem Hügel
oder Berg an, der das Innere der Insel dem Blick entzog. »Das ist sie also?«,
fragte Orphan.
»Das ist sie«, bestätigte Wyvern.
Orphan sah den Kapitän an und bewegte seine Finger hin und her. Sein
Daumen fühlte sich an ⦠wie immer. Aber ⦠Verwirrt blickte er von Wyvern zu
Aramis. »Warum?«, fragte er.
Eine Zeit lang herrschte Schweigen. Das Boot schaukelte sanft auf
dem Wasser.
»Weil jeder Zug beim Schach zum Endspiel führen muss«, erklärte
Aramis schlieÃlich. Orphan fiel der Türke ein, der mit seinen blassen
künstlichen Händen die Figuren auf dem Brett bewegt hatte. Das alles lag
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