Borderlands
von Männerhänden auf.
Ein Bluterguss war kleiner und dunkler als die anderen und sah aus wie ein
Knutschfleck. Schneeflocken schwebten so sanft wie Küsse auf ihren Körper
nieder und schmolzen nicht.
Rumpf und
Oberschenkel waren weiß wie Elfenbein, doch ihre Arme und die Unterschenkel
waren ungeschickt mit Selbstbräuner getönt. Die fleckige Bräune setzte sich nun
deutlich von ihrer blassen Haut ab. Ihre Beine und ihr Oberkörper verfärbten
sich allmählich rosig. Sie trug eine schlichte weiße Baumwollunterhose,
verkehrt herum.
»Und, Doc?«,
fragte ich den Leichenbeschauer, »was meinen Sie?«
Er erhob sich
und streifte die Gummihandschuhe ab. Dann trat er einen Schritt zurück und nahm
von einem Garda eine Zigarette an. »Schwer zu sagen. Die Leiche ist schon
ziemlich steif, aber es war auch eine kalte Nacht, deshalb kann ich Ihnen den
Todeszeitpunkt nicht sagen. Vor mehr als sechs, aber weniger als zwölf Stunden.
Nach der Autopsie wissen Sie mehr. Todesursache – da kann ich auch nichts
Definitives sagen, aber ich würde meinen, die Blutergüsse auf ihrer Brust sind
eindeutig. Die bläuliche Gesichtsfarbe wurde durch Ersticken oder eine
Quetschung des Brustkorbs verursacht. Das und die Blutergüsse auf ihrer Brust
deuten auf Tod durch Ersticken hin, aber das ist bis jetzt nur eine begründete
Annahme. Die Totenflecke sprechen dafür, dass sie nach ihrem Tod noch bewegt
wurde, aber darauf wären Sie auch allein gekommen. Nackte Frauen tauchen nicht
einfach so mitten in der Landschaft auf.«
»Anzeichen für
einen Kampf?«, fragte Hendry.
»Vielleicht.
Aber ihre Fingernägel sind völlig abgekaut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
Sie da drunter irgendwas finden. Tut mir leid, dass ich nicht mehr für Sie tun
kann, Ben«, sagte er zu mir. »Ich kann Ihnen sagen, dass sie tot ist und dass
jemand sie getötet und sie dann hier entsorgt hat. Jetzt sind Sie dran. Die
Rechtsmedizinerin kommt, so schnell sie kann.«
»Vermutlich
was Sexuelles«, meinte ich.
»Kann ich
nicht mit Sicherheit sagen. Die Rechtsmedizinerin wird natürlich einen Abstrich
machen. Als Privatmann würde ich sagen, sehr wahrscheinlich ja. Viel Glück,
Ben. Bis dann.« Mit diesen Worten steckte er die Handschuhe in seinen
Arztkoffer, nahm ihn und ging am Ufer entlang zu seinem Wagen, ohne der Leiche
im Vorbeigehen mehr als einen kurzen Blick zu gönnen.
Ich wandte
mich wieder dem Mädchen zu. Ihre Hände ruhten auf den Blättern unter ihr, der
leuchtend rote Nagellack wirkte ein wenig unpassend auf diesen kleinen, völlig
abgekauten Fingernägeln. An den Nägeln haftete Schmutz, und prompt hüllte ein
Mitarbeiter der Spurensicherung ihre Hände in Plastikbeutel, die er am
Handgelenk befestigte. Mir fiel auf, dass sie an der rechten Hand einen
goldenen Ring mit irgendeinem Edelstein trug. Er wirkte zu altmodisch für ein
Mädchen ihres Alters; ein Erbstück, ein Geschenk der Eltern oder Großeltern
vielleicht. Der Edelstein war grünlich und sah aus wie ein Mondstein; er war
von Diamanten umgeben. Ich bat den Fotografen, ein Foto von dem Ring zu machen.
Als der Blitz aufflammte, sah man eine Gravur.
»Sieht aus,
als wäre was drauf eingraviert, Sir«, sagte der Fotograf, kauerte sich hin und
hielt die Kamera mit einer Hand, während er mit der anderen die Hand des
Mädchens ein wenig drehte. Dann richtete er die Kamera auf den Ring. »Ich glaube,
da steht AC , Sir – ihre
Initialen.«
Ich nickte
unwillkürlich und wandte mich wieder den Kollegen aus dem Norden zu.
»Ziemlich
beschissen, so was in der Woche vor Weihnachten reinzubekommen, Devlin. Viel
Glück«, sagte Hendry, kniff das Ende seiner Zigarette ab und steckte die Kippe
in die Tasche, als wollte er den Tatort nicht kontaminieren. Es war eher ein
Witz. Unsere Ausrüstung hier im hintersten Donegal hat nicht gerade FBI -Standard, und
Gott allein mochte wissen, wer außer dem runden Dutzend Polizeibeamten, der
Besatzung des bereitstehenden Ambulanzwagens und den Wilderern, die die Tote
entdeckt hatten, sonst noch an der Leiche vorbei und über die Fahrbahn
getrampelt sein mochte, wo diejenigen, die sie hier hergebracht hatten, geparkt
haben mussten.
Wir würden
natürlich nach auffälligen Reifen- und Fußabdrücken und so weiter suchen,
allerdings lag die Stelle, an der man die Leiche entsorgt hatte, zwar
versteckt, aber nur wenige hundert Meter hinter dem örtlichen Multiplex-Kino.
Am Wochenende reihte sich abends auf diesem Abschnitt des Sträßchens –
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