Borderlands
dann vermeintlich Kate Costello und schließlich sich selbst erschossen.
Ihre Rache war vollendet. Ihr Bruder allerdings hatte niemanden mehr, den er
verantwortlich machen konnte, und wollte sich an meiner Familie rächen.
Man vernahm mich im Rahmen der Ermittlungen
zu den Todesumständen von Liam McKelvey. Bei der Vernehmung gestand ich meinen
Übergriff auf den Jungen und übernahm die Verantwortung für die verschiedenen
Regelverstöße, die ich in den vergangenen Wochen begangen hatte. Ich wurde
wegen Fahrlässigkeit für zwei Wochen bei vollen Bezügen vom Dienst suspendiert.
Noch habe ich mich nicht entschieden, ob ich den Dienst wieder antreten werde.
Jason Holmes wurde wegen seiner Rolle in der McKelvey-Affäre ebenfalls
suspendiert. Doch irgendjemand weiter oben in der Hierarchie hat offenbar
entschieden, dass es besser sei, die ganze Sache Harvey anzuhängen, als den Ruf
der Polizei zusätzlich zu beschädigen, indem man den Mann mit hineinzog, der
die Morde an Angela Cashell, Terry Boyle, Emily Costello, Thomas Powell jr. und
nicht zuletzt Mary Knox aufgeklärt hatte.
Einige Tage später traf ich Christine
Cashell. Sie bediente mich in der Apotheke, als ich mir Schmerztabletten
kaufte. Als ich zur Theke kam, lächelte sie mich an. Ich fragte sie, wie es
ihren Eltern gehe.
»Mum geht’s
großartig. Besser denn je«, sagte sie. »Wie’s Dad geht, kann ich Ihnen nicht
sagen. Er und Mum haben sich wegen irgendwas gestritten, und sie hat ihn
rausgeworfen. Mal wieder«, fügte sie hinzu und verdrehte gespielt entnervt die
Augen.
»Wird er
zurückkommen?«, fragte ich. Ich vermutete, dass der Auszug ihres Vaters sie
tiefer traf, als sie zugeben mochte.
»Vielleicht.«
Sie zuckte mit den Achseln.
Kate Costello lag mehrere Tage in Letterkenny
im Krankenhaus. Am vierten Januar fuhr Debbie mich dahin, damit ich sie
besuchen konnte. Danach saß ich fünfundzwanzig Minuten lang mit ihrem Vater im
Café und redete übers Wetter, das allmählich besser wurde. Ich erkundigte mich
nach Emilys Beerdigung und erfuhr, dass sie aufgeschoben worden war, bis Kate
aus dem Krankenhaus kam. Die Vorfälle im Hotel erwähnte er erst, als ich mich
bereits erhob.
»Danke,
Benedict«, sagte er, als ich Anstalten machte zu gehen.
»Keine
Ursache. Ich hab nur meine Arbeit getan, Sir.«
»Nein. Danke
für das, was Sie ihr gesagt haben. Kate hat es mir erzählt. Über Powell. Ich
weiß nicht, wie es Ihnen gelungen ist, sich das so spontan auszudenken; das war … das war ein glänzender Einfall.« Er lächelte schwach, beinahe entschuldigend.
»Ich werde das nicht vergessen, und die Sache bleibt unter uns.«
Zuerst wollte
ich nachhaken, wollte seinen Worten ihre wahre Bedeutung entlocken, mich
vergewissern, dass ich ihn richtig verstanden hatte. Ich sah Costello an, der
nun allein war, ohne seine Frau, und überlegte, was ich antworten könnte.
Schließlich richtete ich mich nur auf, raffte meinen Mantel um mich und ging
durch den hallenden Korridor hinaus an die frische Luft.
Am nächsten
Tag besuchte ich Thomas Powell in Finnside. Mit einem Blumenstrauß in der Hand
saß ich in seinem Zimmer und sah zu, wie er schlief. Er hatte einen weiteren
Schlaganfall gehabt, spät an dem Abend, an dem er vom Tod seines Sohnes
erfahren hatte, und sich davon kaum mehr erholt. Die Bettdecke war so dick,
dass man das Heben und Senken seines Brustkorbs beim Atmen nicht erkennen
konnte. Die Luft in seinem Zimmer roch abgestanden, und es war kalt wie in
einer Krypta. Nur seine Lider zuckten unablässig – obwohl sie geschlossen waren –, ansonsten schien Powell reglos dazuliegen.
Kurz bevor ich
gehen wollte, kam Miriam Powell ins Zimmer. Als sie mich am Bett sitzen sah,
machte sie kehrt und wartete draußen, mit dem Rücken an der Wand, bis ich ging.
Als ich das schließlich tat, ging sie so dicht an mir vorüber, dass ich mit der
Hand versehentlich die nackte Haut an ihrem Arm streifte. Ich atmete den
Luftzug, den sie hinterließ, ein, nahm jedoch keinen Kokosnussduft wahr. Sie
trug ein neues, stärkeres Parfüm. Ich glaube, sie beabsichtigt, die politische
Karriere fortzusetzen, die ihr verstorbener Mann begann.
Frühmorgens am dritten März konnte ich wieder
einmal nicht schlafen und saß deshalb in der Küche, wo ich entsetzt und
zugleich fasziniert mit ansah, wie die US -Strategie
des »shock and awe« – Furcht und Schrecken – schließlich offenkundig wurde:
Bagdad brannte. Irgendwann schaltete ich angewidert den Fernseher aus,
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