Borderline ein Narco-Thriller
Wellen sinkt Claire versonnen zurück in ihren Flugzeugsitz. Sie kann es kaum erwarten, dem brausenden Schlag der Wogen am Mission Beach von morgen an wieder zuhören können.
Als die Räder auf der Rollbahn aufsetzen, reibt sich müde die juckenden Augen und ist froh, die beengte Kabine endlich verlassen zu können. Während sie über das riesige Flughafengelände zum Gate rollen, schaltet Claire ihr Mobiltelefon ein. Um sie herum ertönt ein eifriges Gepiepe und Gebrumme, mit dem all die Nachrichten auf den Telefonen ihrer Mitreisenden angekündigt werden. Auch ihr Gerät signalisiert mit einem leisen Klingeln, dass jemand eine Nachricht für sie hinterlassen hat. Eine SMS von Dave, der ihr für Montag geplantes Dinner auf morgen vorverlegen möchte.
Umso besser. Morgen ist ihr letzter Urlaubstag.
Mit einem Ruck stoppt die Maschine an ihrem Gate. In dem sofort entstehenden Gewusel und den sich klappernd öffnenden Gepäckfächern lehnt Claire den Kopf an die Lehne und gönnt sich einen letzten Moment der Ruhe.
Schon kurios, dass Dave sich ausgerechnet gemeldet hat, als sie in Kapstadt war. Da, wo es vor Jahren zwischen ihnen zu knistern begonnen hat. Sie betrachtet für eine Weile das Display ihres Mobiltelefons, dann bestätigt sie Dave den Termin per SMS, ohne jedoch etwas von ihrem Aufenthalt am Kap zu verraten. Dafür wird beim Essen noch genug Zeit bleiben.
Claires Gedanken schweifen ab in die Vergangenheit. Es war Ende 2005, als sie für zwei Monate in Simons Town bei einem Schulungsprojekt für die südafrikanische Küstenwache eingesetzt wurde, das ihr Arbeitgeber, die US Coast Guard, unterstützte. Natürlich bewarb sich Claire. Schließlich hatte sie in der Region die ersten fünfzehn Jahre ihres Lebens verbracht. Nach einigem Genörgel stellte sie Doug, ihr Boss, für das Projekt frei.
Beruflich wurde es eine entspannte Zeit. Es ging um die Einweisung in neue Sonar- und Radaranlagen, die die südafrikanische Küstenwache zur Aufrüstung ihrer Flotte von den Amerikanern gekauft hatte. Eine Technik, die auf den Booten der Coast Guard seit Jahren problemlos lief. Sie installierten das neue Equipment auf einem Marineschnellboot. Mit diesem fuhr Claire mehrmals die Woche in die False Bay, wo sie die Crews in der Handhabung des Geräts unterwies. Die Teams bestanden zum Großteil aus Marineoffizieren und Ausbildern, die im Anschluss die Schiffsbesatzungen der Küstenwache einarbeiten sollten. Alles Männer und Frauen also, die etwas von der Materie verstanden und Claire nicht durch pausenlose Fragerei nervten. Ein definitiver Pluspunkt. Ein weiterer war, dass sie ihr Programm meist bereits am frühen Nachmittag beenden konnten. Oft machte der Kapitän auf der Rückfahrt noch einen kleinen Abstecher in Richtung Gordons Bay. Claire stand dann meist an der Reling, ließ sich das Haar vom frischen Wind zerzausen und schaute auf die so vertraute Küstenlandschaft. Manchmal gesellten sich einige der Ausbilder auf eine Zigarette dazu und fragten sie über ihr zweites Leben in den Staaten aus. Es fiel ihnen schwer zu verstehen, warum sie ihr naturgewaltiges Heimatland verlassen hatte. Wobei sie zugeben mussten, dass Südkalifornien eine akzeptable zweite Wahl darstellte.
Anders als in der konzentrierten Arbeitsatmosphäre während der Schulungen war die Stimmung während dieses Teils der Tour stets gelöst. Es hätte nur gefehlt, dass sie Boote zum Wasserskifahren ausgesetzt hätten. So weit ging die Freizügigkeit allerdings nicht. Außerdem lag Claire nicht unbedingt daran, in Gewässern mit hungrigen Weißen Haien baden zu gehen.
Nach ihrer Rückkehr in den Hafen trank Claire meist noch einen Kaffee am Pier. Danach ging sie in ihr auf dem Stützpunkt gelegenes Appartement, wusch sich das Salz aus den Haaren und machte sich fertig zum Abendessen. Obwohl sie Zugang zu dem Offizierskasino hatte, ging sie immer in eine der an der Hauptstraße am Hafen gelegenen Pizzerien oder Fisch-Buden. Nach dem täglichen Überfluss an beruflichen Kontakten und Kommunikation sehnte sie sich abends vor allem nach einem: Ruhe. Noch mehr Gespräche über Funknetze und Schiffskennungen waren das Letzte, was sie beim Essen brauchen konnte. Wenn ihr danach war, fuhr sie auf ein abschließendes Bier nach Fish Hoek. Und dort, in
Papa Jo’s Pub
, traf sie eines Abends Dave.
Es war Mitte Dezember und Claire seit vier Wochen am Kap. Überall herrschte eine vorweihnachtliche Stimmung, und selbst Piet, der wortkarge Barmann bei
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