Borderline ein Narco-Thriller
Sonderangeboten. Wahllos kramt er vier billige Handys heraus und schlendert mit ihnen zur Kasse. Dort zückt er einen gefälschten Führerschein und ordert für die Telefone vier Prepaid-Karten mit jeweils fünfzig Dollar Guthaben. „Ja, die Kinder. Verlieren dauernd ihre Telefone.“ Scherzend zuckt er mit den Schultern und zahlt die knapp vierhundert Dollar in bar. Mit der Tüte in der Hand schlendert er danach zum benachbarten
Jack in the Box
.
Nachdem er sich mit Burger und Cola versorgt hat, spaziert der Offizier gelassen über den Parkplatz, um sich an dessen Rand unter einem Baum auf eine schattige Bank zu setzen. Unauffällig blickt er sich um, beißt ein Stück vom Hamburger ab und greift in die Tüte, aus der er eines der Handys hervorzieht. Kauend legt er eine SIM-Karte ein und schaltet das Telefon an.
Mit einen Schluck Cola spült er das trockene Brötchen hinunter und blickt sich erneut um. Der Parkplatz ist voll von Menschen und ihren Autos. Die Leute sind bemüht, ihre Einkäufe rasch hinter sich zu bringen und so schnell wie möglich zum Abendessen heimzukommen. Der Mann nickt zufrieden, stellt die Cola ab und tippt die auswendig gelernte Mobilnummer ein.
Ohne vorheriges Klingeln springt der Anrufbeantworter an, auf dem ihm die jugendliche Stimme einer Sally mitteilt, dass sie gerade leider …
Den Rest hört sich der Mann nicht mehr an und tippt stattdessen den vierstelligen Code zum Abhören des Anrufbeantworters ein.
Guten Tag. Sie haben keine neuen Nachrichten. Drücken Sie …
Kopfschüttelnd beendet er den Anruf. Keine Nachrichten? Nicht gut! Er wählt die Nummer erneut. Wieder hört er Sallys Stimme. Dieses Mal bis zum Schluss. Er räuspert sich, ehe er nach dem Piepton selbst zu sprechen beginnt.
„Das Angebot zu dreißig-dreißig gilt bis Sonntag, Ende dieser Woche. Danach werden es dreißig-vierzig.“
Dreißig Millionen in bar und dreißig Prozent der Einnahmen - oder eben vierzig Prozent. Missgelaunt steht er auf, schmeißt den Rest von Burger und Cola in einen Mülleimer und geht zu seinem Ford. Dabei schaltet er das Handy aus und entfernt die SIM-Karte. Auf dem Rückweg in den Stützpunkt hält er in Oceanside, kauft sich am Strand ein Eis und beobachtet im Schein der untergehenden Sonne die Surfer auf den Wellen.
Ehe er wieder in den Wagen steigt, entsorgt er Handy und Karte in zwei unterschiedlichen Mülleimern.
* * *
„Wer bitte?“
Claire ist sich sicher, die Stimme nie zuvor gehört zu haben. Trotz des Krachs im Hintergrund meint sie, einen südamerikanischen Akzent herauszuhören.
„Marc. Marc Remosa. Der Partner von Dave. Sie sind Claire?“
„Warten Sie einen Moment.“ Claire hält das Handy fest an ihr Ohr gepresst, während die sich mit der anderen Hand das linke Ohr zuhält, um den Fluglärm abzuwehren. Sie war gerade auf dem Weg zu ihrem Auto, als das Telefon klingelte. Jetzt steht sie auf dem Parkplatz und schirmt sich gegen die hinter ihr vom San Diego International Airport startende Maschine ab. „Sorry, es ist gerade recht laut. Warten Sie bitte kurz.“
„Kein Problem.“
Sie eilt zu ihrem Chrysler und setzt sich in den ruhigen Wagen. „Jetzt ist’s besser. Worum geht’s denn?“
„Wie gesagt, ich bin Daves Geschäftspartner. Mein Problem ist, dass ich ihn nirgendwo erreichen kann. Er geht nicht mehr ans Telefon, war seit Freitag nicht mehr in der Firma. Und abends brennt bei ihm zu Hause kein Licht. Ich mache mir Sorgen.“
„Hat er sich denn nicht bei Ihnen gemeldet?“
„Nein! Bei Ihnen?“
Daves mittäglicher Anruf fällt ihr ein. Sie will diesem Marc gerade von dem verloren gegangenen Handy und der neuen Nummer erzählen, als sie innehält. Hat Dave sie nicht eindringlich darum gebeten, die Nummer unter keinen Umständen weiterzugeben? Wenn er gewollt hätte, dass sein Partner sie bekommt, hätte er ihn direkt angerufen. Sie zögert einen Moment, räuspert sich. „Nein. Also, nicht heute, meine ich.“
„Ah so. Wann denn dann?“
Ein misstrauischer Unterton klingt unüberhörbar durch. Warum kann sie auch bloß so schlecht lügen? Sie beschließt, bis auf den seltsamen Anruf bei der Wahrheit zu bleiben: „Wir waren Sonntagabend essen. Da hab ich ihn zuletzt gesehen.“
„Und, war er da normal?“
„Normal?“
„Hat er sich irgendwie anders benommen?“
Und wie!
„Mir ist nichts aufgefallen. Er war wie immer.“
Für einige Augenblicke schweigt der Anrufer. Claire will gerade nachfragen, als er fortfährt.
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