Borderline ein Narco-Thriller
ihren Kopf auf Höhe der linken Schläfe und reißt ihn blitzschnell nach rechts. Der Ansatz eines Aufstöhnens, gefolgt von dem kurzen Knacken im Hals. Leblos sackt sie mit gebrochenem Genick auf dem Stuhl zusammen. Pablo zerrt den schlaffen Körper hoch und hinüber in den Nebenraum, nur einen feinen Hauch ihres Parfüms in der Luft zurücklassend.
„Einen Moment bitte. Ich bin sofort da.“ Diego wartet, bis die Geräusche aus dem Zimmer nebenan verklungen sind. Dann geht er zur Tür, entriegelt das Schloss und öffnet der draußen wartenden Frau.
Ihr Anblick verschlägt ihm die Sprache. Sicher, die Fotos haben eine Vorstellung von ihrer Attraktivität gegeben. Als er sie aber jetzt vor sich stehen sieht, ist er überwältigt. Sie trägt ein dunkelgraues Polohemd, dazu schwarze Jeans und Chucks. Die Erinnerung an den Inhalt ihrer Kommode kommt ihm in den Sinn. Für heute tippt er allerdings auf die Funktionsunterwäsche. Sie ist relativ groß, nur knapp einen halben Kopf kleiner als er. Einsfünfundsiebzig etwa, schätzt er. Rasch lässt er seinen Blick wieder hinauf zu ihren Augen gleiten. Umrahmt von einem gebräunten ebenmäßigen Gesicht, gekrönt von fein geschwungenen Brauen, sieht er in zwei auf die kurze Distanz riesig erscheinende grünblaue Augen.
Mit einer routinierten Handbewegung streicht sie sich eine Strähne der pechschwarzen Haare aus dem Gesicht und schaut ihn abwartend an.
„Claire Vandenbroucke, nehme ich an? Entschuldigen Sie, ich musste noch etwas erledigen.“ Lächelnd streckt Diego seine Hand aus.
„Claire bitte. Mr. Remosa?“
„Genau. Aber nennen Sie mich Marc. Wollen Sie etwas trinken?“
Sie schüttelt den Kopf, während sie ihm ins Büro folgt und sich auf den Sessel vor Daves Schreibtisch setzt. Sie wirft einen fragenden Blick auf Mandys Platz und den Stapel an Magazinen. Diego hebt die Schultern.
„Tja, Mandy. Sie weiß halt gern, wer mit wem gerade in Hollywood und so … Na ja, ich hab ihr freigegeben.“ Mit diesen Worten verschwindet er in den Nebenraum, um sich ein Getränk zu holen. Und um nach Pablo zu schauen. Von ihm und Mandy keine Spur. Und, viel wichtiger: keine Geräusche. Aus dem kleinen Kühlschrank holt Diego zwei Dosen Dr. Pepper, nimmt zwei Gläser und kehrt ins Büro zurück.
„Falls Sie es sich anders überlegen.“ Er stellt die Getränke auf den Tisch und lässt sich in Daves tiefen Sessel fallen. Zu weich für seinen Geschmack.
Claire schaut sich neugierig um. „Hier arbeiten Sie also zusammen mit Dave?“
„Ja, nicht direkt.“ Er weist auf die beiden Schreibtische. „Platz ist hier nicht viel. Einer von uns ist eigentlich immer unterwegs.“
„Aha.“ Sie scheint nicht überzeugt.
„Ich arbeite mehr in der Akquise. Kunden treffen. Touren ranschaffen. Da kommt Dave manchmal ins Schleudern.“
„Verstehe. Kommen Sie gut mit ihm zurecht? Ich meine, in der letzten Zeit.“
„Klar. Warum fragen Sie?“
„Ich finde, dass er neulich irgendwie anders war.“
„Hm, ist mir so nicht aufgefallen. Ich bin allerdings auch erst seit ein paar Wochen im Team.“
„Und woher kennen Sie ihn?“
„Wir waren zusammen tauchen. Draußen, bei Guadalupe. Tolles Revier. Haie, sogar weiße.“
„Stell ich mir gruselig vor.“
„Okay, die weißen Exemplare haben wir uns nur vom Schiff aus angesehen.
Unter
Wasser würde ich sie ungern treffen.“ Er grinst.
„Kann ich verstehen. Als ich früher in Kapstadt gesurft bin, hatte ich auch immer Angst vor denen.“
Versonnen betrachtet Diego die Dose vor sich, horcht dabei angestrengt in Richtung Nebenraum. Zu seiner Erleichterung ist es weiterhin ruhig. „Sie sind in Südafrika geboren?“
„Ja. Lebe aber schon seit fünfzehn Jahren hier. Und Sie? Ihr Akzent klingt so, so … so südamerikanisch.“
„Ertappt. Ich komme zwar aus Los Angeles. Meine Mutter stammt allerdings aus Venezuela. Da, in Caracas, habe ich sechs Jahre gelebt.“ So anregend es sein mag, mit Claire zu plaudern, der Small Talk nervt Diego. Außerdem, wer quetscht hier eigentlich wen aus? Also spricht er die
Alina
direkt an. „Die Bergung dieser Yacht vor der Küste. Das war schon stressig.“
„Ach ja?“ Sie schaut ihn an, viel interessierter als zuvor.
„Es war ein großer Auftrag. Und die Kunden wollten sofort Ergebnisse.“
„Fand Dave denn daran etwas merkwürdig?
„Na ja, er hatte seine Bedenken. Ich bin nur einmal draußen gewesen. Einer der Männer war dabei. Ein finsterer Kerl.“ Er macht eine Pause und
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