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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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erstes Mal«,
sagte ich.
    »Keine Sorge. Bald treffen Sie
Tontauben so gut wie seine Lordschaft hier.«
    »Also wirklich, George«, sagte Ed.
»War das als Kompliment gemeint oder nicht?«
    Der Jagdaufseher grinste, bückte
sich und öffnete einen Gewehrkoffer aus Leder, der vor ihm auf dem Boden lag.
Er nahm die Einzelteile einer zerlegten Schrotflinte heraus und schraubte sie
flink zusammen. Es war ein schönes Instrument: Walnussschaft, gravierte
Silberbeschläge, und auf dem Lauf in Gold die Ziffer Eins, was bedeutete, dass
es sich um ein Paar handelte.
    »Versuchen Sie mal, ob es passt«,
sagte George und zeigte mir, wie man den Schaft fest an die Schulter drückt und
ausschert, um ein Ziel zu treffen.
    »Bloß nicht fallen lassen«, sagte
Ed. »So ein Paar zu ersetzen kostet gut fünfzigtausend.«
    Nach einer Einweisung in die sichere
Handhabung von Waffen durfte ich mit Ed den Hang hinuntersteigen und mein Glück
mit den Tontauben probieren. George, durch eine Wellblechwand gegen verirrte
Schrotladungen geschützt, saß oben an der Böschung auf einem Hocker hinter der
Wurfmaschine.
    »Nicht vergessen, Wilberforce«,
sagte Ed. »Die Tonscheibe mit dem Laufende erfassen, wenn sie über Sie
hinwegfliegt - und schießen, beides gleichzeitig.« Dann rief er: »Pull!«, und
zwei schwarze Scheiben segelten über mir durch die Luft und landeten unversehrt
in den Bäumen unter uns.
    »Sollte ich auf die schießen?«,
fragte ich.
    »Wenn ich das nächste Mal
>Pull< rufe, legen Sie die Flinte an und feuern Sie, so schnell Sie
können. Die Flinte hat zwei Läufe, für jeden Lauf einen Abzug.«
    Wieder rief er: »Pull!«, und ehe ich
mich versah, hatte ich zwei Schüsse abgegeben.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Sie haben beide Scheiben
zerdeppert«, sagte Ed überschwänglich. »Saubere Arbeit! Links und rechts ein
Treffer, und das beim ersten Mal. Nicht zu fassen. Haben Sie das gesehen,
George?«
    »Ein Naturtalent, Sir«, rief George
oben von der Böschung herab.
    Eine ganze Stunde lang musste ich
schießen, eine Scheibe nach der anderen kam geflogen. Manche verfehlte ich,
einige traf ich.
    Dann gingen wir zu Fuß zurück zum
Haus und überließen es George, die leeren Patronenhülsen und die unversehrten
Tonscheiben aufzusammeln. Die Wolkendecke brach auf, überall schimmerte der
Himmel blau durch, und es war warm. Der Tau auf dem Gras war fast ganz
verschwunden. Ich war zufrieden mit mir, dass ich so gut abgeschnitten hatte,
und Ed freute sich über meine erworbenen Schießkünste.
    »Sehr gut, Wilberforce«, lobte er
mich. »Ich verspreche Ihnen: Wenn es dieses Jahr Moohrhühner gibt, kommen Sie
im August mal einen Tag raus zu uns nach Blubberwick. Da können Sie erleben,
wie das so läuft, und wenn Sie wollen, geben wir Ihnen einen Aufseher an die
Seite, dann können Sie selbst ein paar Schuss abfeuern.«
    Etwas später trennten wir uns; Ed
wollte zum Mittagessen zu den Thirsk Races und auch den Nachmittag über
bleiben, ich musste zurück ins Büro. Ich dankte ihm noch mal, er lud mich im
Gegenzug kommende Woche zum Essen ein. »Eck kommt auch«, sagte er. »Und
Annabel Gazebee. Annabel wird Ihnen gefallen. Ach so, und Catherine kommt
natürlich auch.«
    Ich nahm die Einladung an. Auf
einmal hatte ich neue Freunde, ein neues Leben. Es war ein komisches Gefühl,
aber auf der Rückfahrt ins Büro kam ich zu dem Schluss, dass es mir guttat.
     
    So fing ein langer Sommer an, der
sich von allen anderen Sommern, die ich bisher erlebt hatte, unterschied. Es
war der Sommer, als ich ausbrach aus meiner permanenten Pubertät, in der ich
wie ein im ewigen Eis eingepferchtes Mammutjunges erstarrt war, und zu einem
neuen Wesen heranwuchs. Beim Auftauen überkamen mich neue Gefühle, neue
Sehnsüchte. Tat es mir früher um jede Minute leid, die ich nicht im Büro
verbrachte, fing ich jetzt an, die Stunden zu zählen, bis ich gehen und die
kleine Straße am Hang den Berg hinauffahren konnte, wenn ich für den Abend
wieder eine Einladung von einem meiner neuen Freunde hatte. Ich wurde oft
eingeladen. Mir kam es so vor, als würde ich jeden freien Moment in Gesellschaft
von Menschen verbringen, nie mehr allein, so wie früher.
    Jedes Mal, wenn ich zu einem
Abendessen ging oder sonntags zu einem Lunch, traf ich auf neue Gesichter. Nach
einer gewissen Zeit schälte sich für mich ein engerer Kreis heraus. Ob sich
dieser Kreis um Ed geschart hatte oder um Francis Black, wusste ich nicht. Zu
dem Kreis gehörten Ed Simmonds,

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