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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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leicht Verdaulichem abzusuchen.
    Gerade hatte ich meine Hand nach
einer Packung Haferplätzchen ausgestreckt, als mein Blick auf eine Werbung
fiel, ein weißes Plakat an der Wand, auf dem in fetter schwarzer Schrift die
Druckbuchstaben DNIDMFDDWF standen. Es war nicht das erste Mal, dass ich diese
Buchstabenfolge sah, wie mir jetzt auffiel. Irgendwie kam sie mir bekannt vor,
aber ich wusste nicht, woher. Vielleicht hatte ich die Werbung schon mal
gesehen. Es musste eine von diesen albernen Teaser-Kampagnen sein, die gerne
geheimnisvoll tun und einen zum Nachdenken zwingen wollen - Was hat das bloß zu
bedeuten? -, so dass man unendlich erleichtert ist, wenn der Name des Produkts
oder der Dienstleistung endlich erklärt wird, und man es aus purer Dankbarkeit
kauft.
    DNIDMFDDWF. Es schmerzte mich, dass
ich keinen Zusammenhang herstellen konnte. Die Buchstaben standen für irgendetwas,
aber was nur? Es sah aus wie eine Gedächtnisstütze. Ja, richtig, jetzt wusste
ich es, es musste eine Gedächtnisstütze sein, sogar eine, die mir bekannt war.
Wenn sie mir doch bloß einfallen würde.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«,
fragte jemand in meiner Nähe. Ich konnte jedoch meinen Blick nicht von dem
Plakat wenden und wies nur vage in seine Richtung.
    Mir war ganz komisch zumute, aber
ich rang mich zu der Frage durch: »Was ist das für eine Werbung da vorne?«
    »Welche Werbung meinen Sie, Sir?«
    Flüchtig zeigte ich auf das Plakat.
Ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Die Buchstaben wurden immer
größer und größer, wurden undeutlich, verschwommen, verwandelten sich in
riesige Punkte, die durch mein Blickfeld tanzten. Mir wurde schlecht, und ich
fühlte mich schwach, als wäre alles Blut auf einmal aus meinem Kopf geströmt.
Der Raum verfinsterte sich und fing an zu schwanken. Ich hörte einen Ruf, dann
wurde mir schwarz vor Augen.
    Als ich aufwachte, lag ich auf einem
harten Untergrund, und eine Stimme sagte: »Wissen Sie, wer Sie sind?«
    Gute Frage. Ich wusste es nicht.
Dann fiel mir spontan ein Name ein, und ich flüsterte: »Vielleicht
Wilberforce?«
    Mein Gesicht wurde mit einem Schwamm
behandelt, der eine Kruste abtupfte, offenbar getrocknetes Blut, das sich dort
angesammelt hatte.
    »Ja, richtig, Mr Wilberforce.«
    »Wo bin ich?«
    »Sie befinden sich in der
Notaufnahme des Chelsea und Westminster Hospital. Sie sind gestürzt.«
    Ich wollte nicht ins Krankenhaus,
ich wollte nach Hause, mich von meinem eigenen Arzt behandeln lassen. Das
Problem war nur, dass ich nicht mehr wusste, wer mein Arzt war. Sein Name lag
mir auf der Zunge, aber ich bekam das Wort nicht heraus, ich konnte mich nicht
mehr genau erinnern, wie es klang - als wollte ich »Pimlico« sagen, aber es
würde mir immer nur »Pershore« einfallen.
    »Sollen wir jemanden
benachrichtigen, dass Sie hier sind?«, fragte die Stimme. Zum ersten Mal zeigte
sich jetzt auch die Person, es war ein junger indischer Arzt.
    »Francis Black«, sagte ich.
    Es war noch jemand im Raum, er saß
hinter mir und wusch mir behutsam mit dem Schwamm das Gesicht. Jetzt sagte eine
weibliche Stimme: »Können Sie seine Telefonnummer auswendig?«
    »Leider nicht.« Dann fiel mir ein,
dass Francis vor drei Jahren an Krebs gestorben war. »Er ist sowieso tot.
Entschuldigen Sie.«
    »Wir haben Sie vor einem Haus in
Mayfair gefunden. Wissen Sie, wie Sie da hingekommen sind? Wissen Sie, wo Sie
wohnen?«
    »Ich lebe in Bogota.«
    Warum hatte ich das bloß gesagt?
    »In Bogota?«, fragte der indische
Arzt. »In Kolumbien? Dann sind Sie ja sehr weit weg von zu Hause.«
    Die beiden Stimmen konferierten über
meinen Kopf hinweg, eine sprach von Gehirnerschütterung und retrograder
Amnesie.
    »Jetzt machen Sie sich mal keine
Sorgen«, sagte die Stimme der Frau. »Sicher sind Sie noch ein bisschen
durcheinander von dem Sturz, was? Wir bringen Sie auf ein kleines ruhiges
Einzelzimmer, da können Sie sich ausschlafen. Danach machen wir ein paar Tests
und versuchen herauszukriegen, was Sie haben.«
    Ich wurde auf einer fahrbaren
Tragbahre aus dem Operationssaal geschoben, durch einen Flur, behutsame Hände
hoben mich in ein Bett, dann schlief ich ein.
    Als ich aufwachte, sah ich, dass ein
Tropf an meiner Hand angeschlossen war, wieder mal, und ein zweites Pflaster
in meiner Armbeuge legte die Vermutung nahe, dass mir jemand Blut abgezapft
hatte. Ich sah mich im Zimmer um, das in einem beruhigenden Grünton gestrichen
war. Wie war ich hierhergekommen? Ich war einkaufen gewesen, oder?

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