Bordeuax
Witz, den Francis gerade erzählte,
als ich die Aufnahme machte. Ihr dichtes blondes Haar ist windzerzaust. Ihr
sonst blasses Gesicht hat etwas Farbe, von der frischen Luft und dem Stapfen
durch Heidekraut. Ihre grauen Augen sehen mich an, die Person, die das Bild
macht. Sie sieht mich an und nimmt mich, glaube ich, zum ersten Mal als jemand
Besonderen wahr, jemanden, der sich von Eds Freundeskreis unterscheidet. Und
sie hat das elegante, fragile, leicht abgespannte Äußere einer Filmschauspielerin
der vierziger oder fünfziger Jahre, eine jüngere Ausgabe von Celia Johnson in Begegnung.
Hinter den drei Gestalten sieht man
eine sanfte wellige Hügellandschaft, rotviolett von Heidekraut; und der Himmel
über dem Heidekraut, eine dünne, helle Wolkendecke, strahlt so weiß, dass die
drei Personen im Vordergrund von einer scharf umrissenen, wie dreidimensionalen
Klarheit sind, als wollten sie jeden Moment aus dem Bilderrahmen heraustreten.
Das andere Foto ist schwarzweiß,
Catherine zurechtgeputzt für ihren Debütantinnenball. Ich glaube, es war
irgendwo im Country Life abgedruckt. Sie sieht sehr jung aus, wahrscheinlich
war sie zu dem Zeitpunkt gerade erst achtzehn Jahre. Ihr Haar ist sorgfältig
zurückgekämmt und fällt bis auf die Schultern, damals musste sie es noch länger
getragen haben. Ihre Miene ist gelassen, nachdenklich, um die Mundwinkel herum
die Andeutung eines Lächelns. Das Foto ist in einem Atelier entstanden, und für
mich liegt das Besondere in der Unvereinbarkeit dieses Umstandes mit
Catherines Ausdruck: als hätte man sie dabei erwischt, wie sie das Ballkleid
und den Schmuck ihrer Mutter anprobiert und heimlich ihr Makeup benutzt.
Ich erinnere mich gut an den Tag,
als ich das Bild der drei im Moor aufnahm. Ed Simmonds hatte Francis und mich
zur Jagd eingeladen, auf Hühner in seinem Moor in Blubberwick. Francis hatte
nicht geschossen, aber seinen Cockerspaniel Campbell zum Apportieren
mitgebracht. Catherine war damals mit Ed zusammen und die meiste Zeit an seiner
Seite. Ich verstand nichts von der Moorhuhnjagd, und ich habe nur an einer
einzigen Treibjagd teilgenommen, mit einem Aufseher neben mir. Als die braunen
Vögel wie die Raketen am Horizont aufstiegen und über die Reihe der Schießstände
hinwegschwirrten, war ich zuerst viel zu perplex, um zu schießen. Schließlich
taumelte ein trauriger Vogel vom Himmel, raste an mir vorbei und plumpste ins
Heidekraut hinter meinem Schießstand. Weitere folgten. Ich war irrsinnig
aufgeregt, draußen in der Heide, auf Moorhühner zu schießen. Ich weiß noch, in
der Mittagspause kam Catherine zu mir und setzte sich neben mich ins Gras, wir
machten Picknick an einem kleinen Bach. Zum ersten Mal war ich mir der
körperlichen Nähe Catherines deutlich bewusst, ihres Parfüms, ihrer Stimme. Ab
da fing ich an, Catherine nicht mehr nur als Eds Freundin zu sehen.
Sie schenkte mir das Porträtfoto
kurz vor unserer Hochzeit. »Das wurde aufgenommen, als ich noch jung und schön
war«, sagte sie. Sie lachte dabei, ihre Augen tanzten, wollten mich zu einem
Kompliment verführen.
Sie sah tausendmal schöner aus als
auf dem Foto, und ich sagte es ihr.
»Du liebst mich wirklich, oder?«,
fragte sie, atemlos, denn ich hielt sie eng umschlungen. »Natürlich.«
»Es ist schwer zu erraten, weil du
nie den Mund aufmachst.«
Ich ließ sie los. »Das habe ich
verlernt. Ich kannte jahrelang nur Arbeit, Arbeit, kein Vergnügen.«
Catherine nahm das Foto vom Tisch,
wo ich es hingelegt hatte, und betrachtete es. »Seltsam«, sagte sie, »als das
Foto aufgenommen wurde, hatte ich nur Partys im Kopf, und du hast schon am
Computer gesessen und Programme geschrieben. Du hast wohl nie viel Freude in
deinem Leben gehabt, was?«
»Nein, aber das wird sich jetzt
ändern.«
Wir waren noch unentschlossen, wo
wir nach der Trauung leben wollten, bis wir uns dann entschieden, nach London
zu gehen und uns eine Wohnung zu suchen.
Ich beschloss mich anzuziehen, aus
dem Haus zu gehen und mir etwas zu essen zu kaufen. Ich hatte das Gefühl, als
hätte ich seit Ewigkeiten nichts mehr zu mir genommen, und von dem Mangel an
Nahrung war mir etwas schwindlig. Der Wein, den ich getrunken hatte, wirkte im
Gaumen und Gehirn noch nach, und als ich auf die Straße trat, wäre ich beinahe
gestolpert, weil ich die Höhe der Treppenstufe vor meinem Haus zum Bürgersteig
falsch eingeschätzt hatte. Ich ging vor bis zur Curzon Street, betrat den Eckladen
und fing an, die Regale nach etwas
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