Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
Vom Netzwerk:
voller Tinte von dem
Farbband seiner Remington-Schreibmaschine.
    »Was ist, Frankie? Du siehst doch,
ich habe zu tun.«
    »Warte, ich helfe dir«, sagte ich,
entwirrte rasch das Band für ihn und steckte die Spule zurück auf den Stift.
Dann sagte ich: »Ich habe ein Stipendium bekommen, für Informatik an der Durham
University.«
    Mein Pflegevater sah mich nicht
einmal an. »Aha. Das hättest du mir auch beim Abendessen sagen können. Und
jetzt erwartest du wahrscheinlich noch, dass ich Unterhalt für dich zahle?«
    Mein Vater hatte recht. Ich hätte
mit meiner Neuigkeit bis zum Abendessen warten können.
     
    Das Studium an der Universität habe
ich nie abgeschlossen. Ich nahm Wissen in einem so rasanten Tempo in mir auf,
dass ich bald klüger war als die Dozenten, jedenfalls in den Bereichen, die
mich interessierten. Nach achtzehn Monaten verließ ich die Universität, und mit
Hilfe eines der Dozenten, der mir eine »veraltete« Ausrüstung aus dem
Rechenzentrum überließ, machte ich mich selbständig.
    Natürlich hatte ich nach der
Gründung der Firma auch erfahren müssen, wie wichtig es ist, auf andere Leute
zuzugehen, und dass man mit ihnen auskommen muss. Insbesondere Kunden wollten
mit Samthandschuhen angefasst werden. Bevor man Geld von ihnen verlangen
konnte, musste man mit ihnen reden. Bis Andy zu uns stieß, war mir die
Verkaufsseite immer lästig, und wenn die von mir entwickelte Software nicht
tadellos gewesen wäre, hätte ich mein Produkt sicher nie an den Mann gebracht.
Dann stieg Andy in das Geschäft mit ein, eigentlich nur als Finanzleiter, aber
seine natürliche Begabung im Umgang mit anderen Menschen führte dazu, dass er
die Kundenbetreuung weitgehend übernahm, bis wir so groß geworden waren, dass
wir gelernte Verkäufer einstellen konnten. Die Pflege unserer Großkunden blieb
aber auch danach noch in seinen Händen. Andy war ein Naturtalent. Er lachte, er
riss Witze, und er zog die Kunden auf, wenn ihre Heimatvereine beim
Fußballspiel verloren hatten. Andy war bei allen beliebt.
    Ich weiß nicht, ob ich auch bei
allen beliebt war, außer bei Andy. Allerdings war ihnen klar, dass die Firma
ohne mich nicht existieren würde. Ich war derjenige, der die Originalsoftware
entwickelt hatte, auf der die ganze Geschäftsidee beruhte, und ich verstand
davon immer noch am meisten von allen. Wenn Mitarbeiter oder Kunden mehr als
nur Witze hören wollten, wenn sie Fragen hatten und Erklärungen brauchten,
kamen sie zu mir.
    Ich wusste mittlerweile, wie man mit
den Leuten redete, aber es ging bei mir nie so weit, dass ich es aus Vergnügen
tat.
     
    Als ich Hartlepool Hall verließ, nachdem
ich dort zu Mittag gegessen hatte, war ich mir sicher, dass ich Eck und Ed
niemals wiedersehen würde. Warum auch? Eine geschäftliche Transaktion hatte
stattgefunden, mehr nicht: Eine Stunde IT-Support durch Wilberforce
persönlich, Wert: sagen wir mal 100 Pfund, dafür ein Lammkotelett und eine
Tasse Kaffee, bereitgestellt von Ed Simmonds, Wert: etwa 10 Pfund. Unterm
Strich schuldete Ed Simmonds mir also noch etwas; andererseits hatte er mir
Unterstützung durch seine Freundschaft gewährt, wenn auch nur für zwei Stunden,
Wert: vermutlich mehr als 90 Pfund.
    Andy bestätigte mir immer, er sei
mein Freund, meistens im Zusammenhang mit Diskussionen über Gehälter und
Aktienoptionen, und in vieler Hinsicht war er auch tatsächlich mein Freund.
Manchmal gingen wir nach der Arbeit in einem kleinen indischen Restaurant noch
etwas essen; wir feierten gemeinsam Triumphe, wir durchlebten Krisen in der
Firma gemeinsam, und wir schmiedeten gemeinsam Pläne und Intrigen. All das
lief am Ende auf Freundschaft hinaus, dachte ich. Das sind die Dinge, die eine
Freundschaft ausmachen. Nach meinem Besuch in Hartlepool Hall kam mir
allerdings der Verdacht, es könnte vielleicht auch Lebensweisen geben, bei der
Menschen Zeit zusammen verbrachten, ohne sich dabei über die Arbeit zu
unterhalten, sondern über sich, über Freizeitaktivitäten, über Pferderennen
oder die Jagd, von mir aus auch über Wein, lauter Dinge, von denen ich nichts
verstand. Eine von solchen Menschen bewohnte Welt stellte ich mir wie einen
Garten vor, der von einer hohen Mauer umgeben war. Die wenigen Bewohner, denen
der Zutritt erlaubt war, lebten in Müßiggang und erfreuten sich einer für das
Auge wohlgefälligen Umgebung; die Welt draußen blieb in ihrem gewohnten Trott
verhaftet. Ich hatte durch das Geländer einen Blick in den Garten werfen
dürfen,

Weitere Kostenlose Bücher