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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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Colin
mir helfen sollte, fügte ich hinzu: »Ich meine, doch, ja. Manchmal trinke ich
mehrere Flaschen, aber meistens lasse ich mir Zeit, um sie zu genießen.«
    »Aha«, sagte Colin und schrieb sich
etwas auf.
    »Gestern war ich einfach nur ein
bisschen runter mit den Nerven«, erklärte ich.
    »Allerdings. Das verstehe ich voll
und ganz. Trotzdem, drei Flaschen Wein an einem Tag, schlimmer noch, an einem
einzigen Abend, das ist viel für eine Person.«
    »Vermutlich ja«, stimmte ich ihm zu.
»So habe ich es noch nie gesehen.«
    »Ich nehme dich als Patient auf«,
sagte Colin. »Aber nur, wenn du wirklich willst, dass ich dir helfe.«
    »Das ist nett von dir«, antwortete
ich.
    »Ich bin sehr teuer.«
    »Das macht nichts«, sagte ich. »Ich
bin dir sehr dankbar.« Das war ernst gemeint. Es war gut, jemanden zu haben,
der Interesse an meiner Person zeigte, jetzt, wo ich wieder allein dastand.
    »Es könnten zwischendurch noch
einige Auslagen dazukommen«, warnte mich Colin. »Am besten meldest du dich
gleich als Erstes in der Hermitage an. Ich kann alles Nötige für dich veranlassen,
aber du musst dir über das Behandlungsziel im Klaren sein. Du musst es wirklich
wollen.«
    »Ich tue alles, was du von mir
verlangst«, sagte ich. »Was ist denn die Hermitage überhaupt?«
    Colin stand auf und reckte sich, kam
hinter seinem Schreibtisch hervor und ließ sich auf einem Stuhl auf meiner
Seite nieder. »Ich bin kein Spezialist für die Behandlung von
Suchtkrankheiten«, erklärte er.
    »Ich bin nicht abhängig«,
protestierte ich. »Das betrifft Leute, die Gras rauchen oder sich eine Spritze
setzen. Ein bisschen Wein trinken, das ist keine Sucht.«
    »Ich denke schon«, sagte Colin. »Und
wenn du willst, dass ich dir helfe, musst du bereit sein, auf mich zu hören und
meinen Rat anzunehmen. Andernfalls vergeuden wir nur unsere Zeit.«
    »Natürlich«, sagte ich. Der Gedanke,
dass Colin mich fallen las sen könnte, bevor er richtig angefangen hatte, mir zu helfen, erschreckte
mich.
    »Wilberforce«, fing Colin an, »die
Ursache für eine Sucht kann genetisch oder familiär bedingt sein. Meistens ist
es beides. Hat jemand in deiner Familie getrunken?«
    »Ich weiß nicht, wer meine
leiblichen Eltern sind«, sagte ich. »Meine Pflegeeltern haben nie getrunken.«
    »Es ist eine Krankheit«, erklärte
Colin. »Letztlich eine Krankheit, wenn man so will, des eigenen
Selbstwertgefühls. Solange du nicht begreifst und innerlich akzeptierst, dass
du Hilfe brauchst, dass nur jemand von außen dich dazu bringen kann, dein
Verhalten zu ändern, wirst du nie geheilt.
    Die Hermitage bietet speziell
Programme für Menschen wie dich an, die vom Alkohol nicht mehr loskommen,
Menschen, die abhängig sind, von Drogen oder irgendwelchen anderen Dingen. Das
Programm nennt sich Die Zwölf Stufen und basiert auf der Arbeit der Anonymen
Alkoholiker. Die Erfolgsbilanz ist gut. Ich würde dir vorschlagen, dass du dich
für so ein Programm anmeldest. Das heißt, du fährst nach Gloucestershire, in
ihre Einrichtung, und probierst es mal damit.«
    »In Ordnung. Wenn du das
vorschlägst, mache ich es.«
    »Es ist keineswegs billig«, sagte
Colin, »aber wenn du es dir leisten kannst, kann ich mir nichts Besseres
vorstellen, um das Problem anzugehen. Doch wie gesagt, Wilberforce, du musst
es auch wirklich wollen. Sonst ist es hinausgeschmissenes Geld.«
    »Ich mache es«, sagte ich.
     
    Die Hermitage-Klinik war in einem
großen Landhaus untergebracht, das in einer hügeligen, waldreichen Gegend lag.
Als das Taxi über die Einfahrt rollte, erinnerte mich das Haus auf den ersten
Blick an Hartlepool Hall, doch verfügte Hartlepool Hall weder über moderne
Anbauten noch Backsteinhäuser für das Personal noch einen Parkplatz. Ich betrat
die Eingangshalle, und es war, als befände man sich in einem Landhotel. Überall
standen frische Schnittblumen, eine lächelnde vornehme Dame an der Rezeption
nahm meine Personalien auf und machte eine Kopie meiner Kreditkarte, dann
griff sich ein Gepäckträger meine Koffer und führte mich zu meinem Zimmer.
    Es war ein geschmackvolles Zimmer,
perfekt eingerichtet, lindgrüner Teppich, grüne Blumenvorhänge, von
Samtkordeln gerafft, Doppelbett mit einer beigen Tagesdecke, nebenan ein
eigenes großes Badezimmer. Ein Erkerfenster ging auf ein bewaldetes Tal hinaus,
durch das sich ein Bach schlängelte.
    Gerade hatte ich angefangen, meinen
Koffer auszupacken, da klopfte es. Ich ging zur Tür und öffnete. Vor mir

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