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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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du es zugegeben hast. Du zeigst mir damit, dass
du eingesehen hast, wie wichtig es ist, die Wahrheit zu sagen. Wenn du ehrlich
zu mir sein kannst, dann kannst du auch ehrlich zu dir selbst sein. Du bist
kurz davor, den ersten Schritt zu machen.«
    An meinem ersten Abend aß ich allein
auf meinem Zimmer. Eric sagte, es wäre noch zu früh, um die anderen Gäste
kennenzulernen, aber morgen könnte ich an den Gruppengesprächen teilnehmen. Als
ich mit dem Essen, das wieder nach nichts schmeckte, fertig war, legte ich mich
aufs Bett und dachte an Catherine. Was hätte sie dazu gesagt, dass ich hier
war? Ich glaube, sie wäre stolz auf mich gewesen. Aus irgendeinem Grund kam mir
eine Erinnerung in den Sinn: Catherine und ich sitzen an einem Metalltischchen
auf dem Bürgersteig vor einem Cafe, irgendwo in der Nähe unseres Hotels in
Faubourg-Saint-Honore, während unserer letzten gemeinsamen Reise nach Paris.
Ein sonniger Tag, warm für Ende Oktober, wir beide trinken Weißwein.
    Catherine sagte: »Ich hoffe, dass
wir immer so glücklich zusammen sein können, Wilberforce.«
    »Was sollte uns daran hindern?«,
fragte ich sie.
    »Manchmal mache ich mir Sorgen, dass
du zu viel trinkst. Ich habe nichts dagegen, wenn du mal was trinkst. Du hast
dir das bisschen Lebensfreude verdient, weiß Gott. Ich wäre die Letzte, die
dir das nehmen wollte. Aber manchmal habe ich doch Bedenken. Du siehst krank
aus. Wenn du nicht trinkst, siehst du viel schöner aus.«
    »Du brauchst keine Angst zu haben«,
sagte ich. »Mir geht es prima. Und du siehst in meinen Augen immer gut aus.«
    »Darling«, sagte sie lächelnd. Dann
fügte sie hinzu: »Ich meine ja nur. Ich hoffe, dass du dich für mich
entscheidest, wenn du mal zwischen mir und dem Wein wählen müsstest.«
    Ich hob mein Glas und prostete ihr
zu, sie prostete mir zu, und ich sagte: »Ich habe mich schon entschieden. Für
dich.«
    Wir tranken in dem herbstlichen
Sonnenlicht unseren Wein aus und lächelten uns die ganze Zeit dabei an.
    Und dann, während ich auf dem Bett
lag und mich daran erinnerte, wie sie an dem Tag aussah, an den Klang ihrer
Stimme, kamen schließlich auch die Tränen. Zum ersten Mal seit Catherines Tod
trauerte ich um sie. Ich wusste nicht mehr, was passiert war, warum sie mir
genommen worden war, aber endlich erfasste ich die ganze Wahrheit dieses
Verlustes. Sie war mir genommen worden, und ich musste jetzt mein Leben neu
ordnen. Ich starrte an die Decke, endlos lange, bis ich mich schließlich
aufraffte, mich auszog und mich richtig ins Bett legte. Vor dem Einschlafen
sagte ich: »Ich habe mich für dich entschieden, Catherine. Nicht für den Wein.«
    Am nächsten Morgen holte Eric mich
zum Frühstück ab. Alle Mahlzeiten wurden in einem schicken
Selbstbedienungsrestaurant eingenommen. Etwa ein Dutzend Tische war besetzt,
entweder von einzelnen Personen oder Zweier- und Dreiergruppen. Es wurde nicht
viel gesprochen. Eric und ich holten uns Kaffee und Toast und setzten uns
gemeinsam an einen Tisch.
    »Eine tolle Truppe hier«, sagte
Eric. »Dave zum Beispiel, methadonsüchtig - total netter Kerl, Florist. Und
Pete, der bei ihm am Tisch sitzt, ist von seinem Whisky losgekommen. Das
verbindet mich mit Pete, haha.«
    Weder an Dave noch an Pete konnte
ich irgendetwas Außergewöhnliches erkennen; zwei stille Männer mittleren
Alters, die zusammen Kaffee tranken.
    Eric blickte sich im Raum um. »Das
Mädchen da drüben, das ist Wilhelmina aus Utrecht.« Ich sah zu ihr hinüber, ein
großes, blasses Mädchen mit Brille und langen roten, glatten Haaren, die
allein an einem Tisch saß. »Vorgestern hat sie sich betrunken und sich gleich
hier eingeliefert. Ich weiß nicht, was wir für sie tun können. Sie ist ziemlich
seltsam. Der große Mann am Serviceschalter, das ist Mick. Bei uns heißt er nur
Big Mick. Steuerberater, mit Büro in der City und mindestens sechsstelligem
Gehalt, wie er mir gesagt hat. Gewalt und Drogen, das sind seine Probleme. Er
ist cracksüchtig. Aber solange er nicht drauf ist, ist er ein ganz, ganz lieber
Mensch. Nur mit Messern in seiner Nähe, da sind wir vorsichtig. Deswegen isst
er mit einem eigenen Plastikbesteck. Aber keine Sorge, er würde eher sich
selbst was antun als anderen.«
    Big Mick war über eins achtzig groß
und wog bestimmt zwei Zentner, ein Kahlkopf und Muskelprotz. Er trug einen
blauen Trainingsanzug und hatte sich ein deftiges Bauernfrühstück auf den
Teller geladen. Big Mick würde ich lieber aus dem Weg gehen, beschloss

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