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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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vergnügt und professionell.
    »Guten Tag, Wilberforce. Wie geht es
dir?«
    »Ganz gut«, sagte ich.
    »Und was macht deine reizende Frau?«
    »Die ist leider tot.«
    Erst Schweigen, dann sagte Colin, in
einer anderen Tonlage: »Mein Gott, Wilberforce. Wie schrecklich. Was ist
passiert?«
    »Ein Autounfall«, sagte ich, ohne
auf Einzelheiten einzugehen.
    »Wie furchtbar«, sagte Colin. »Ich
kann es gar nicht fassen. Und was ist mit dir? Bist du verletzt?«
    »Ich hatte großes Glück«, sagte ich.
»Nur ein paar Schnittwunden, ein zerquetschtes Knie, eine gebrochene Rippe.«
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«,
fragte Colin.
    »Ja, Colin«, sagte ich. »Ich bin
drauf und dran, wieder mit dem Trinken anzufangen. Ich habe den ganzen Tag
versucht, nicht zu trinken. Ich bin kein Alkoholiker. Ich trinke nur gerne
Wein. Aber ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufhören kann, wenn ich jetzt
wieder anfange.«
    »Hast du schon was getrunken?«,
fragte Colin.
    »Nein«, sagte ich. »Noch nicht.«
    »Dann fang nicht an«, sagte er. »Ich
habe noch zwei Patienten, aber in einer Stunde bin ich frei. Bist du in deiner
Wohnung?«
    »Ja.«
    »Bleib da. Trink nicht. Geh nicht
aus dem Haus. Ich komme so bald wie möglich.«
    »Danke, Colin«, sagte ich
erleichtert. »Du bist ein echter Freund. Ich warte auf dich. Lass dir Zeit -
ich gehe auch nicht weg.«
    »Und nicht trinken«, wiederholte er.
»Nein«, versprach ich. Wir legten auf.
    Colin war auf der Universität nicht
mal ein enger Freund von mir gewesen, doch jetzt, da ich Probleme hatte, war er
für mich da. Warum gab es nicht mehr solcher Menschen auf der Welt? Wo war Eck?
Wo war Ed Hartlepool? Wo waren sie alle - jetzt, wo ich wirklich jemanden
gebraucht hätte. Seltsam, wie sich Menschen entwickeln.
    Außerdem war Colin ein
ausgezeichneter Arzt. Wenn irgendwas mit mir nicht stimmte, wenn mir irgendwas
fehlte, er würde es herausfinden und mich kurieren. Ich brauchte mir keine
Sorgen zu machen. Wenn ich eine Zeit lang etwas mehr getrunken hatte, als ich
vertrage - und jetzt gestand ich mir ein, dass ich es mit meiner Begeisterung
für einen guten Bordeaux gelegentlich vielleicht ein bisschen zu weit getrieben
hatte -, Colin hätte ein Heilmittel für alles. Bestimmt gab es irgendwelche
Tabletten, die man Leuten wie mir verschrieb. Sie würden bewirken, dass ich
immer nur genau die richtige Menge Wein trank, niemals zu viel. Colin würde das
schon für mich hinkriegen. Ich brauchte mir keine Sorgen mehr zu machen.
    Catherine hätte Verständnis, dachte
ich, wenn ich mir jetzt, endlich, ein Glas einschenken würde. Colin würde bald
hier sein, er würde mich kurieren. Der Sociando-Mallet stand jetzt seit einigen
Stunden offen, ganz allmählich würde er oxydieren und sterben. Ob man es merken
würde? Ich goss mir ein Glas ein und probierte es, aber der Wein war gut.
    Der Wein war sehr gut.
     
    Als Colin endlich kam, hatte ich die
Flasche Sociando-Mallet ausgetrunken, danach eine Flasche Margaux, und soeben
hatte ich eine dritte Flasche aufgemacht, einen Saint-Emilion. An dem Abend
konnte er nicht mehr viel für mich tun, außer mich ins Bett bringen. Er
hinterließ einen Zettel, auf dem er mich bat, ihn am nächsten Tag in seinen
Praxisräumen am Belgrave Square aufzusuchen. Ich fand den Zettel, als ich am
Morgen nach unten kam. Es waren keine Lebensmittel mehr im Haus, deswegen trank
ich nur ein Glas Weißen und machte mich gleich auf den Weg zu Colin.
    Das Wartezimmer war eingerichtet wie
ein Wohnzimmer, mit schweren, unbequemen Sesseln und einem niedrigen Glastisch,
auf dem eine Auswahl aktueller Hochglanzmagazine auslag. Ich nahm mir eine Country Life und blätterte darin herum, ohne ein Wort zu lesen, und hoffte, dass sich
zwischen zwei Patiententerminen mal eine Lücke ergab, in der Colin mich
einschieben konnte.
    Als ich sein Sprechzimmer betrat,
saß er hinter einem großen Doppelschreibtisch, vor sich aufgeschlagen ein
dünner brauner Prospekt. Mit einem Wink bedeutete mir Colin, in dem Stuhl
gegenüber Platz zu nehmen.
    »Guten Morgen, mein Freund«, sagte
er. »Wie geht es dir?«
    Colin sah gesund aus und sehr viel
jünger als mein Spiegelbild, das ich heute Morgen im Badezimmer betrachtet
hatte. »Ganz gut«, versicherte ich ihm.
    »Als ich gestern zu dir kam, warst
du bei der dritten Flasche angelangt. Trinkst du häufig so viel Wein in so
kurzer Zeit?«
    »Nein«, sagte ich. Doch dann, weil
ich dachte, dass es wichtig war, in diesen Dingen genau zu sein, wenn

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