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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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stand
ein Mann, jünger als ich, mit Igelhaarschnitt, in kurzärmligem Khakihemd und
Jeans. Es war Januar, und unten im Tal, an den Stellen, wo die Sonne nicht
hinkam, lag noch Reif, aber das Haus war sehr gut geheizt.
    »Guten Tag«, sagte der junge Mann.
Hinter einer runden Hornbrille glänzten freundliche Augen. »Ich bin Eric.«
    »Guten Tag«, sagte ich.
»Wilberforce.«
    Wir gaben uns die Hand. Ich fragte mich, was er von mir wollte. »Ich wollte
mich nur vorstellen. Wir haben in nächster Zeit sicher viel miteinander zu
tun. Hast du schon zu Mittag gegessen?«
    »Noch nicht.«
    »Es gibt hier eine Kantine. Aber ich
würde vorschlagen, dass wir jetzt erst mal was Kleines essen, dann haben wir
etwas Zeit, uns beide ein bisschen zu beschnuppern, bevor du die anderen Gäste
kennenlernst. Ist das in Ordnung, wenn ich dich in zehn Minuten abhole?«
    »Ja, danke.«
    Eine Viertelstunde später saßen wir
in einem kleinen Zimmer in einem der modernen Anbauflügel, die mir vorher schon
aufgefallen waren. Das Zimmer war nur spärlich möbliert, eine Anrichte mit
einer eingebauten Spüle, ein Tisch, zwei Stühle und eine Weißwandtafel. In
einer Ecke stand noch ein kleiner Kühlschrank. Auf dem Tisch in der Mitte des
Zimmers lagen zwei Gedecke, zwei Teller mit geräuchertem Lachs und Salat, in
der Mitte ein Krug Wasser.
    »Ah«, sagte Eric. »Räucherlachs.
Mein Lieblingsgericht.«
    Wir aßen den Fisch, er war fad. Eric
goss mir ein Glas Wasser ein und sah mir beim Trinken zu. Das Wasser schmeckte
muffig und nach Metall. »Du würdest bestimmt lieber Wein trinken, was?«
    »Nein«, log ich.
    »Also ...«, fing Eric an und hielt
dann inne. »Wie soll ich dich anreden? Ich kann unmöglich Wilberforce zu dir
sagen.«
    »So nennen mich alle«, sagte ich.
    Eric schüttelte den Kopf. »Es klingt
so förmlich, wenn ich dich mit deinem Familiennamen anrede. Wir sind nicht
förmlich hier. Das geht gar nicht. Du und ich, wir beide müssen gute Freunde
werden. Was dagegen, wenn ich stattdessen Will zu dir sage?«
    »Wenn dir das besser gefällt.«
    »Toll, Will. Wenn es dir damit gut
geht, dann bleibe ich dabei. Ich will dir ein bisschen über mich erzählen. Wir
haben ein hartes Stück Arbeit vor uns, und du musst über mich Bescheid wissen
und mir vertrauen, Will. Ich war auch mal Alkoholiker.«
    Ich musterte ihn. Es war durchaus
möglich, dass es stimmte, jedenfalls sah ich keinen Grund, ihm nicht zu
glauben.
    »Wenn man mich heute so sieht, würde
man nicht darauf kommen«, sagte er stolz. Ich sagte nichts. Eric fuhr fort.
»Ich habe eine Flasche Whisky pro Tag getrunken. Pro Tag! Kannst du dir das
vorstellen?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf
antworten sollte, aber Eric wartete erst gar nicht ab. Er wollte über sein
Leben als Alkoholiker reden.
    »Ja, eine Flasche pro Tag. Ich war
ein Wrack. Ich habe meine Arbeit verloren. Meine Frau hat mich verlassen. Aber
ich konnte einfach nicht aufhören. Dann haben mich eines Tages Freunde von mir
zu einer Gruppe in unserer Kirchengemeinde mitgenommen. Die hat Leuten wie mir
geholfen. Diese Gruppe hat mich dazu gebracht, den ersten Schritt zu gehen.«
    Eric stand auf, nahm einen
Filzschreiber und schrieb an die weiße Tafel: »Erster Schritt: Wir müssen
zugeben, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind. Wir müssen zugeben,
dass wir unser Leben nicht mehr meistern können.«
    Er setzte sich wieder hin und wies
mit dem gestreckten Daumen auf das Gekritzel an der Tafel, das ich kaum
entziffern konnte. »Das ist der erste Schritt, Will. Gerade eben habe ich dir
gegenüber zugegeben, dass ich früher mal Alkoholiker war. Von dem Tag an, als
ich den Mut fand, mir das einzugestehen, hat sich mein Leben verändert. So
läuft das hier. Wir müssen uns eingestehen, dass wir ein Problem haben. Danach
folgen noch mehr Schritte, die wir zusammen gehen müssen. Aber der erste
Schritt ist der größte und der wichtigste. Danach gehen wir Schritt für Schritt
vor. So meistern wir hier unser Leben, ein Schritt nach dem anderen. Aber mit
meiner Hilfe und mit Gottes Hilfe kannst du die Kraft aufbringen, um diesen
Weg mit mir zu gehen. Am Ende bis du geheilt, so wie ich.«
    »Ist deine Frau wieder zu dir
zurückgekommen?«, fragte ich ihn.
    Das brachte Eric aus der Fassung.
»Nein«, sagte er. »Aber das ist eine andere Geschichte.« Er stand wieder auf,
ging zum Kühlschrank und holte eine Dose Diet Coke heraus. »Willst du auch
eine?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er riss den
Verschluss auf, hielt

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