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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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die Dose an den Mund, kippte sie und trank einen kräftigen
Schluck. Ein Rinnsal Coke lief ihm übers Kinn und seitlich den Hals hinunter.
Er wischte es mit einem Finger ab. Dann stellte er die Dose neben die Spüle und
setzte sich wieder an den Tisch.
    »Also, Will? Meine Frage an dich
heute heißt: Glaubst du, dass du ein Problem hast? Aber zuerst können wir uns
ja mal gemeinsam anschauen, was die strittigen Punkte sind.«
    »Ich trinke sehr gerne Wein«, gab
ich zu. »Ich kann ihn trinken, und ich kann es auch sein lassen, ganz, wie ich
will. Aber ich genieße es. Ich interessiere mich sehr für Wein.«
    »Wein ist ein feines Getränk«, sagte
Eric. »In Maßen. Unser Herr hat auch Wein getrunken. Und wie viel Wein trinkst
du, Will?«
    »Ich koste gerne verschiedene Weine.
Ich vergleiche gerne die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Das
interessiert mich sehr.«
    »Du hast meine Frage nicht
beantwortet, Will«, sagte Eric. »Wie viel trinkst du pro Tag?«
    »Das schwankt«, sagte ich, »aber
drei bis vier Flaschen pro Tag werden es wohl sein.«
    »Pro Tag?!«, rief Eric. »Vier
Flaschen pro Tag?!« Erneut stand er auf, ging zur Spüle und trank seine Dose
Diet Coke aus. Er kam zurück und setzte sich wieder hin.
    »Ich muss dir etwas sagen, Will. Du
hast ein großes Problem. Aber du hast auch ein großes Herz. Es erfordert Mut,
was du gerade getan hast: Zu gestehen, dass du machtlos bist, dass du nicht
aufhören kannst Wein zu trinken. Das ist toll.« Er ging zur Tafel und schrieb:
W. trinkt vier Flaschen Wein pro Tag.
    Er setzte sich wieder hin. »Das ist
eine Menge Wein. Das sind fast eintausendfünfhundert Flaschen im Jahr.«
    »Ich sammle Wein. Ich habe sehr viel
Wein.«
    »Wirklich?«, sagte Eric. »Und was
verstehst du unter >sehr viel Wein    »Ich habe ungefähr einhunderttausend
Flaschen in meinem Keller. Vielleicht sogar noch mehr.«
    »Will, wenn du so flapsige Antworten
gibst«, ermahnte mich Eric, »schaffen wir es nie. Hier geht es um eine sehr
ernste Sache. Es geht um dein Leben, Will. Es geht darum, dass du dein Leben änderst.
In diesem Raum sagen wir die Wahrheit, die ganze Wahrheit, nichts als die
Wahrheit.«
    »Ich sage die Wahrheit«, verteidigte
ich mich. »Warum sollte ich lügen?«
    Eric sah mich traurig an. Irgendwie
hatte ich ihn enttäuscht. Er stand auf und schrieb an die Tafel: Ich habe
einhunderttausend Flaschen Wein.
    »Du träumst von Wein, stimmt's,
Will?« Eric hatte sich wieder hingesetzt. »Du träumst von diesem wunderbaren
Weinkeller. Dort gibt es immer Wein, ohne Ende. Dort kannst du immer hingehen,
um die nächste Flasche zu holen.«
    »Ja«, sagte ich. »Aber es ist keine
Fantasievorstellung.«
    »Ich habe früher immer davon
geträumt, dass ich eine Spirituosenhandlung besitze«, sagte Eric versonnen.
»Ich habe davon geträumt, dass ich Regale voller Whiskyflaschen hätte. Bell's Famous Grouse, J & B und Johnny Walker Black Label. Wenn ich einen Whisky trinken wollte, brauchte ich
nur hinzugehen und mir eine Flasche zu holen. Wenn ich morgens aufgewacht bin
und sich herausstellte, dass kein Whisky mehr da war - das war ein schreckliches
Gefühl. Ich habe mich zusammengerollt und geflennt wie ein Kind.«
    »Ja«, sagte ich mitfühlend, »das war
bestimmt sehr hart für dich. Aber ich habe großes Glück: Ich besitze
tatsächlich sehr viel Wein.« Es schien mir wichtig, dass Eric diesen
Sachverhalt auch wirklich verstand. »Ich trinke viel Wein. Das habe ich dir
schon gesagt. Aber ich trinke Wein, weil es mein Hobby ist. Ein Freund hat mir
sehr viel Wein vermacht. Er hat eine fantastische Sammlung aufgebaut. Soweit
ich weiß, ist es eine der größten Privatsammlungen von Bordeauxweinen in
diesem Land.«
    Eric lächelte. »Na gut, Will. Du
besitzt also hunderttausend Flaschen Wein in deinem wundervollen Geheimkeller.
Vielleicht sogar eine Million Flaschen. Aber die Frage ist, bist du Herr über
den Wein, oder ist der Wein Herr über dich.«
    In diesem Stil ging es den ganzen
Nachmittag weiter. Eric trank noch mehr Diet Coke. Ich sehnte mich nach einem
Glas Wein, aber mir war klar, dass ich eine Zeit lang ohne einen Tropfen auskommen
musste. Nach ein, zwei Stunden ermüdender Unterhaltung mit Eric beschloss ich,
dass es besser wäre, wenn ich uns beiden zuliebe so tat, als gäbe es die Gruft
in Wirklichkeit doch nicht.
    Eric war hochzufrieden mit mir, als
ich ihm meine angebliche Lüge gestand. »Ich bin stolz auf dich, Will«, sagte
er. »Ich bin stolz darauf, dass

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