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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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etwas
später sah ich Francis die Arme ausbreiten und scheuchende Bewegungen machen,
wie ein Bauer, der eine Schafherde durch ein Gatter trieb. Die Gästeschar
zeigte erste Auflösungserscheinungen. Innerhalb einer Viertelstunde und ohne
viel Theater war Francis seine Besucher losgeworden, sogar Eck - alle, außer
Catherine, die jetzt zur Begrüßung auf mich zukam und mich auf die Wange
küsste.
    »Wilberforce«, sagte sie. »Ich habe
dich in dem Gewühl gesehen, aber du wolltest mich wohl nicht vor diesen
langweiligen Leuten retten, oder?«
    »Es sah nicht so aus, als hättest du
das nötig.«
    »Oh doch.«
    Francis stieß zu uns. Er wirkte
erschöpft, hatte dunkle Ringe unter den Augen, aber er lächelte. Campbell
trottete hinter ihm her. »Gott sei Dank. Das wäre überstanden«, sagte er.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte ich
ihn.
    »Ich habe ungefähr fünfzig bis
sechzig Kisten verkauft.«
    »Die Leute haben alle furchtbar
geschimpft«, sagte Catherine.
    »Ach, das machen sie doch ständig.
Aber sie wissen auch, dass sie mich am Leben erhalten müssen. Wo würden sie
sonst anständigen Wein herkriegen, wenn sie welchen brauchen? Die meisten
kennen sich sowieso nicht aus, sie wollen nur, dass die Flaschen, die sie auf
ihren Esstisch stellen, das richtige Etikett haben.«
    Francis ging zu seinem Schreibtisch
und nahm eine Flasche Bordeaux in die Hand. Sie war bereits geöffnet. »Und
jetzt könnt ihr mal richtigen Wein probieren«, sagte er.
    Ich glaube, es war ein Cissac. Ich
war noch Neuling in der Weinkunde. Francis goss Catherine und mir je ein Glas
ein, reichte es uns, dann schenkte er sich selbst ein. Er hob sein Glas, als
wollte er einen Trinkspruch auf uns ausbringen. Vielleicht tat er das auch, ich
weiß es nicht. Wir tranken den Wein, er war köstlich, schmeckte nach
Brombeere, aber noch andere Noten wurden angedeutet, die zu subtil für mich
waren, um sie zu identifizieren.
    »Wo ist Ed heute Abend?«, erkundigte
sich Francis bei Catherine.
    »Ich weiß nicht. Irgendwo«,
antwortete sie und senkte ihren Blick wieder zum Glas. Ich konnte ihren
Gesichtsausdruck nicht erkennen, vermochte auch nichts Besonderes aus der
Gleichgültigkeit ihrer Stimme herauszuhören, aber es war das erste Mal, dass
ich Catherine ohne Ed an ihrer Seite erlebte.
    Francis kommentierte das nicht
weiter, seine Miene blieb unbeweglich, mit dem üblichen leicht ironischen
Ausdruck. Dann sagte er: »Kannst du morgen mal kommen, Wilberforce? Ich würde
gerne etwas mit dir besprechen.«
    »Natürlich«, sagte ich und fragte
mich gleich, was er wohl mit mir besprechen wollte. Ich besuchte ihn damals
häufiger, dann saßen wir zusammen und unterhielten uns über seinen Wein oder
seine vergeudete Jugend. Diese spezielle Aufforderung klang so förmlich.
    »Ihr könnt es auch jetzt besprechen,
wenn ihr wollt«, sagte Catherine. »Ich wollte sowieso gerade gehen.« Sie trank
noch einen Schluck und stellte ihr Glas ab.
    »Nein, Catherine. Du darfst den Wein
nicht so hinunterstürzen«, sagte Francis. »Bleib noch und trink in Ruhe aus.
Dann könnt ihr beide gehen, und ich mache danach sauber und lege mich schlafen.
Ich bin wie erschlagen von dem Ausschenken an die vielen Leute.«
    Wir blieben noch eine Viertelstunde,
drei Freunde, die sich unterhalten und ihren Wein genießen. Francis füllte
unsere Gläser noch einmal nach, und als wir ausgetrunken hatten, wünschten wir
ihm eine gute Nacht und traten hinaus in den kühlen Abend. Mittlerweile war es
ziemlich dunkel, und Catherine kramte im Schein der Lampe draußen vor Francis'
Laden in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel, als ich sie fragte, ohne
vorher auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was ich sagen sollte:
»Hast du jetzt schon was vor?«
    Sie blickte überrascht auf und
strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Nach Hause fahren, Rührei kochen, was
sonst.«
    »Geh mit mir essen. Ein Stück weiter
unten im Tal ist ein ganz gutes kleines indisches Restaurant. Zehn Minuten von
hier.«
    Kurze Pause, nicht länger als ein
Pulsschlag, dann sagte sie: »Also gut. Schöne Idee. Soll ich hinter dir herfahren?«
    »Das wäre das Beste.«
    Zwanzig Minuten später saßen wir uns
an einem Tisch in dem beengten Raum von Al Diwan gegenüber, aßen Papadams und
tranken Wasser. Keiner von uns beiden hatte noch Lust auf Wein.
    »Ich habe seit Jahren nicht mehr
indisch gegessen«, sagte Catherine.
    Ich ging ungefähr zweimal die Woche
indisch essen, weil ich mich nie dazu aufraffen

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