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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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fragte: »Willst du nicht Vollzeit bei mir arbeiten,
Andy?«, und er darauf nur sagte: »Warum stellst du mir die Frage erst jetzt?«,
erschien es mir das Normalste der Welt, alles zu riskieren, um jemanden
einzustellen, den ich mir wahrscheinlich gar nicht leisten konnte. Ich
bezweifelte, dass ich ihm das Gehalt bieten konnte, das er bereits woanders
verdiente; mich wunderte nur, dass er seinerseits alles riskierte, um für eine
Firma zu arbeiten, die kaum drei Jahre alt war und kaum Gewinn abwarf. Aber
Andy war risikofreudig, obwohl er Buchhalter war. Schon damals hatte er das
Potenzial von Wilberforce Software Solutions erkannt, wahrscheinlich eher als
ich. Wir besiegelten unsere Abmachung mit Handschlag, und Andy grinste mich an.
Er war klein, etwas über eins siebzig, hatte drahtige schwarze Löckchen und ein
Gesicht, das sich in trügerisch freundliche Falten legen konnte. Stechende
braune Augen, die jeden standhaft fixierten, mit dem er gerade redete, waren
der Schlüssel zu seinem Charakter: zäh, aggressiv, manipulativ.
    Als ich Andys Hand losließ,
zufrieden, aber unsicher, was ich als Nächstes machen sollte, sagte er: »Und
jetzt gehen wir in den Pub und klären das.«
    »Ich muss zurück ins Büro«, sagte
ich. Wir standen in dem Empfangsbereich von Andys Steuerbüro.
    »Nein. Du gehst jetzt nicht ins
Büro. Du gehst jetzt in den Pub mit mir. Wir müssen einiges klären, und dann
brauchst du was zu trinken. Du wirst sehen, es wird dir guttun, du hast jetzt
einen Partner. Immer mit der Ruhe, Wilberforce.«
    Wir gingen in den Pub, und Andy
schlug mir vor, ein Jahr lang für das halbe Gehalt zu arbeiten, im Ausgleich
für eine zwanzigprozentige Beteiligung. Danach würde die Firma entweder so
viel abwerfen, dass wir beide bekämen, was uns zustünde, oder er würde zurück
an seine alte Stelle gehen, die seine Partner für ihn freihalten würden. Ob
Letzteres stimmte, weiß ich nicht. Ich sagte zu allem Ja. Dann tranken wir ein
paar Gläser, wie besprochen, und statt anschließend zurück ins Büro zu gehen
und bis Mitternacht zu arbeiten, fuhr ich an dem Abend nach Hause und schlief
acht Stunden am Stück, zum ersten Mal seit Jahren, und fühlte mich ausgeruht
und entspannt wie schon lange nicht mehr.
    Endlich hatte ich jemanden, mit dem
ich reden konnte, jemanden, mit dem ich herumspintisieren konnte, der sich um
den Laden kümmerte, wenn ich Kunden besuchen musste. Ich konnte sogar in
Erwägung ziehen, mir mal ein, zwei Tage freizunehmen, obwohl ich mich nicht daran
erinnern kann, das viel in Anspruch genommen zu haben. Das Beste war
allerdings, dass ich jetzt jemanden hatte, der mir den Rücken freihielt,
jemanden, der sagen würde: »Keine Sorge, Wilberforce, ich kümmere mich darum«,
und das auch ehrlich meinte. Und das Allerschönste: In den Momenten der
Hochstimmung, wenn wir wieder einen Großauftrag an Land gezogen hatten,
standen wir im Büro und schrien uns an: »Ja! Sie haben angebissen!« Das war ein
tolles Gefühl. So gut war es mir nie gegangen, als ich noch allein für mich
wirtschaftete. In dem Jahr zog unser Geschäft an, wir starteten durch, und wir
hätten uns jedes Gehalt zahlen können. Andy blieb, ein Jahr später war er mein
Finanzleiter, und wir standen einem millionenschweren Unternehmen vor.
    Wir setzten über zwanzig Millionen
im Jahr um und verzeichneten ein jährliches Wachstum von zwanzig Prozent. Wir
beschäftigten hundert Leute, und Andy sprach davon, das Unternehmen an die
Börse zu bringen, und trieb Geld auf, um einige der Konkurrenten, die mir vor
wenigen Jahren noch Angst gemacht hatten, aufzukaufen. Andys Appetit auf Geld
und noch mehr Geld war grenzenlos. Seine Bereitschaft, Überstunden zu machen,
wuchs, meine nicht. Ich schrieb nur gerne Programme für unsere Software und
suchte für unsere wichtigsten Kunden nach Problemlösungen. Der Geldregen, der
durch diese Ackerei produziert wurde, war zuerst wie ein Wunder, jetzt kam er
mir wie eine Ablenkung vor; man musste sich fragen, wohin mit dem ganzen Geld.
Ich verfolgte jetzt andere Interessen in meinem Leben. Ich hatte neue Freunde,
neue Hobbys, und ich wollte mehr Zeit haben, diese neue Welt zu erkunden,
diese neuen Leute besser kennenzulernen.
    Wenn ich jetzt vor Andy Feierabend
machte und das Büro verließ und wusste, dass er noch arbeitete, dass er
telefonierte, dass er die Monatsbilanz machte oder eine riesige
Tabellenkalkulation für den nächsten Geschäftsabschluss erstellte, dann hatte
ich jedes Mal das

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