Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
ihr Mann nach Hause kommt, wagt sie nicht, sich zu rühren. Der Mörder bringt zuerst den Mann um und macht sich dann auf die Suche nach den anderen Familienmitgliedern. Er schlachtet die Frau im Wäscheschrank ab, schleift sie ins Ehebett, entfernt die Blutspuren im Flur und ermordet zum Schluss das kleine Mädchen.
Diese Theorie war inzwischen jedoch überholt, denn sie passte nicht zu den Todeszeitpunkten.
Deleu stand vor einem Rätsel. Er stieß seine Aktentasche mit dem Fuß in Richtung Schlafzimmer und wanderte hin und her durch den Flur, die Hände auf dem Rücken, wie ein Galeerensklave. Bei diesem letzten Versuch, Ordnung in das Chaos zu bringen, war ihm, als fühle er sein Gehirn von innen gegen den Schädel drücken. Als würden seine Augen jeden Moment aus den Höhlen springen, mit einem dumpfen Schlag gegen die weiße Wand klatschen und auf das Bett rutschen, wo sie vielleicht die Wahrheit erkennen könnten. Ein saures Aufstoßen vertrieb schließlich bis auf weiteres den drohenden Migräneanfall.
Die Ermittlungen hatten ergeben, dass Mevrouw als Erste gestorben war.
Sie hört den Täter, versteckt sich im Wäscheschrank und wird dort ermordet. Der Mann kommt nach Hause und will sich ins Bett legen. Das Bett ist leer. Er schaut im Zimmer der Kleinen nach, sucht seine Frau, findet sie nirgends, geht in die Küche, isst noch einen Happen und geht dann schlafen.
Aber er konnte sich doch unmöglich in aller Ruhe hingelegt haben, ohne zu wissen, wo Frau und Kind waren. Das war äußerst unwahrscheinlich. Noch einmal von vorn!
Angenommen, Mijnheer Poulders liegt im Bett, der Mörder hat ihm aufgelauert und bringt ihn um.
Der Gerichtsmediziner hatte gründlich gearbeitet: Mijnheer Poulders war nicht im Schlaf gestorben, denn die Blutmenge in seiner Lunge bewies, dass er sich gegen seinen Angreifer gewehrt hatte.
Wie also hatte der Täter Poulders, der nicht schlief, ermordet? Poulders war schließlich nicht betrunken gewesen.
Deleu ging kopfschüttelnd zurück ins Schlafzimmer, hob seine Aktentasche auf, blickte auf das Bett und erstarrte mitten in der Bewegung. Auf einmal verzog sich der Nebel, und alles wurde glasklar: Der Dreckskerl musste im Bett gelegen haben! Der Wahnsinnige hatte die Frau im Wäscheschrank ermordet und danach im Bett auf die Rückkehr von Mijnheer Poulders gewartet.
Deleu zitterte und schlug die Hände vor das Gesicht. Niemals wieder würde er es wagen, zu Barbara ins Bett zu schlüpfen, ohne vorher zu kontrollieren, ob sie es auch wirklich war. Er hätte diesen Fall nicht übernehmen dürfen. Es war furchtbar, der entsetzlichste aller Alpträume.
Okay. Ganz ruhig, Deleu. Er ermordet Mevrouw Poulders im Wäscheschrank, legt sich ins Bett, ermordet Mijnheer Poulders und überrascht die Kleine im Schlaf. Was ist sein nächster Schritt?
Blut von Mevrouw Poulders im Bett und im Flur. Er schleift sie ins Bett und schneidet sie auf. Warum? Um die Polizei in die Irre zu führen? Nein, solche Psychopathen denken nur an sich.
Was für makabere Spielchen hatte er gespielt? Mijnheer und Mevrouw Poulders liegen tot im Bett. Und was dann?
Deleu schloss pietätvoll den Wäscheschrank und hockte sich im Flur auf den Boden. Er zog die Beine an, legte das Kinn auf die Knie und versuchte, alles noch einmal zusammenzufassen. Doch wie sehr er sich auch quälte, er fand keinen Zusammenhang. Er öffnete die Aktentasche, schaltete das Licht ein und nahm erneut den Polizeibericht heraus. Auf der Tagesdecke hatte man eine purpurrote Stofffaser gefunden, die nicht zur Garderobe der Poulders gehörte. Purpurrot war auch nicht gerade eine Modefarbe. Deleu richtete sich mühsam auf und ging ins Badezimmer.
Die üblichen Toilettenartikel, Kosmetik und Handtücher, aber keine purpurroten. Sein Blick fiel auf eine Haarbürste mit einem kunstvollen Elfenbeingriff. Er hielt sie ans Licht und bemerkte, dass noch einige lange blonde Haare darin hingen. Er strich mit dem Zeigefinger über eines davon und schloss die Augen. In Gedanken sah er Mevrouw Poulders vor sich, eine hübsche Frau mit langen, glänzenden blonden Haaren, wie sie den Kopf in den Nacken legte und mit eleganten Bewegungen ihre nassen Haare durchkämmte. Bei diesem Gedanken durchfuhr ihn ein schmerzhafter Stich in der Magengegend.
War eine Geliebte im Spiel? War Poulders ab und zu über die Stränge geschlagen? Deleu betrachte den perlmuttfarbenen Whirlpool und dachte an die Szene in
Eine
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