Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
hatte. Einmal, als er nicht zu Hause gewesen war, hatte sie den Nachbarn zu Hilfe geholt, um ein überdimensionales Exemplar zu zerquetschen. Wenn sie auch nur eine sah und Deleu gelang es nicht, sie zu fangen, tat sie die ganze Nacht kein Auge zu. Sie erstarrte förmlich vor panischer Angst.
Er schüttelte den Gedanken von sich ab. Rob würde sich schon um seine Mutter kümmern. Aber wo kamen die Viecher überhaupt her? Er erinnerte sich an den Stapel Holzscheite unter der Pergola und fragte sich, ob Mevrouw Poulders keine Angst vor Spinnen gehabt hatte. Ach, was machte er sich eigentlich Sorgen um ein paar Hausspinnen? Hier war ein anderes Monster am Werk gewesen.
U nterwegs zu seinem Hotel hielt er an einem schmuddeligen Kiosk an und kaufte ein Päckchen Belga. Der Betreiber, ein grobknochiger Araber, sagte kein Wort. Er händigte Deleu die Zigaretten aus, legte lustlos den passenden Geldbetrag in die Kasse und wandte die ganze Zeit nicht einmal den Blick von seiner zerlesenen Zeitschrift. Hätte Deleu eine Schachtel Speed oder eine Tüte Marihuana bestellt, hätte der Mann vermutlich nicht anders reagiert. Betreiber eines Nachtkiosks: ein deprimierender Beruf.
In seinem Hotelzimmer genoss Deleu in vollen Zügen eine heiße Dusche. Es fühlte sich an, als spüle er den ganzen Dreck dieses Tages von sich ab. Doch das war erst der Anfang gewesen. Von jetzt an konnte es nur noch schlimmer kommen. Ob der Mörder noch ein zweites Mal zuschlagen würde? Oder hatte er bereits zugeschlagen? Deleu hatte genug gesehen. Dieses Monster würde nicht aufhören, niemals. Wo? Wann? Wer?
Er öffnete das Fenster und schaute hinaus zu den kalten Sternen. Wo hielt diese Bestie von Mensch sich jetzt auf? Was dachte er? Welche Pläne schmiedete er? Plante er seine Taten überhaupt?
Deleu fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken und versuchte, seine Müdigkeit zu verdrängen. Noch eine Belga, die letzte. Er legte sich der Länge nach auf das Bett und blies dicke Rauchwolken an die Decke. Das Nikotin versetzte ihn in einen wohligen Rausch, und er lächelte. Das einzig Positive an diesem Tag: im Bett liegen und eine Zigarette rauchen. Barbara würde das nicht dulden. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und wusste, dass er, Dirk Deleu, in dieser Nacht nicht würde schlafen können.
Die Blutflecken, steckte eine Botschaft hinter ihrer Anordnung? Er schaltete das Licht ein, öffnete die Aktentasche und breitete die Fotos in willkürlicher Reihenfolge auf dem Bett aus. Er studierte sie eingehend und legte sie anders hin. Kein Muster, kein Anhaltspunkt für ein Ritual. Kein Satanismus. Er legte sich ins Bett, schloss die Augen und sah, wie sich Mevrouw Poulders im Wäscheschrank drehte und wand. Sie hatte sich gewehrt. Überall Kratzer, Haarbüschel, jede Menge Hautschuppen. Hatte er sie eingeschlossen und sie hatte um Hilfe geschrien? Wenn er sie im Schlafzimmer ermordet hatte, musste ihr Mann doch die Blutspuren gesehen haben? Doch es gab nur Spuren, die vom Bett weg und zum Bett hinführten. Was war mit dem Blut im Flur geschehen? Hatte er es aufgewischt und den Putzlappen mitgenommen? War das durchtränkte Tuch seine Beute? Saß er jetzt in einem dunklen Winkel und roch oder leckte daran? Deleu ekelte sich vor sich selbst und wälzte sich unruhig im Bett herum.
Er versuchte, sich Barbara vorzustellen. Sein Kopf war leer, leer und durcheinander. Was dachte Rob wohl gerade, lag er auch wach? Eigentlich wollten sie morgen zum Fliegenfischen gehen. Er war gern mit Rob unterwegs. Sein Sohn, schon so erwachsen. Rob war bereits einen halben Kopf größer als er, obwohl er selbst immerhin einen Meter achtzig maß. Mitten in seinen Grübeleien schlief er schließlich dennoch ein.
Deleu schreckte schweißgebadet auf. Das tote Kind saß in dem Korbstühlchen und schaute ihn mit ausdruckslosen schwarzen Augen an. Vorwurfsvoll. Er zog die Beine an, fuhr von dem Kissen auf, griff danach und schleuderte es gegen die Wand. Er warf die durchgeschwitzte Bettdecke von sich und rollte sich auf die Seite. Tief ein- und ausatmend versuchte er, sich zu beruhigen.
Warum hatte der Dreckskerl dieses Korbstühlchen ins Schlafzimmer der Eltern gestellt und seine Fingerabdrücke davon abgewischt? Warum steckten Brotkrümel in der Kehle von Mevrouw Poulders? Warum fanden sich keine Fingerabdrücke des Monsters in der Küche? Was wollte er verbergen? Schämte er sich für seine perversen Spielchen? Und
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