Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
liegende, schwarze Augen. Er war unverheiratet und hatte keine feste Freundin.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er trug keinen Ehering, und nach der Freundin habe ich ihn gefragt.«
»Sind Sie damit einverstanden, dass ich Ihnen einen Fachmann vorbeischicke, der mit Ihnen zusammen ein Phantombild anfertigt?«
»Ach, und er sollte auch weniger Fleisch essen, den Rat habe ich ihm mit auf den Weg gegeben.«
»Woher wissen Sie denn, dass er …?«
»Er hatte rote Flecken im Gesicht. Die Metzgerkrankheit.«
Nachdem Deleu alle Informationen sorgfältig in sein Notizbuch eingetragen hatte, klappte er es zu und wollte aufstehen, blieb dann aber doch noch einen Moment sitzen.
»Haben Sie irgendwann einmal einen Unbekannten in das Haus der Verbists hineingehen sehen?«
»Wie meinen Sie das, ›einen Unbekannten‹?«
»Na ja, jemand, der weder ein Verwandter noch ein Freund der Familie war, jemand, von dem Sie dachten, was will der denn hier?«
»Ach, heutzutage treibt sich hier so viel merkwürdiges Volk herum. Man fühlt sich seines Lebens nicht mehr sicher. Was passiert denn eigentlich mit dem Haus der Verbists? Soll es öffentlich versteigert werden? Zwar ist es nicht so solide und traditionell gebaut wie meines, aber bestimmt ist es trotzdem einiges wert, oder? Na ja, ich würde es nicht kaufen, für kein Geld der Welt.«
»Das stimmt, Ihr Haus ist wirklich viel stattlicher und viel solider, das sieht man gleich auf den ersten Blick. Schön gelegen und sehr gepflegt.«
Die alte Frau strahlte. Deleu erhob sich und reichte ihr die Hand. Sie erwiderte seinen Händedruck und begleitete ihn zur Tür. »Da fällt mir vielleicht doch noch etwas ein«, murmelte sie. »Etwa zwei Wochen vor den Morden, als es hier noch nicht von Schaulustigen wimmelte, hat sich hier ein Mann herumgetrieben. Er ist erst ein-, zweimal die Straße auf und ab gefahren, hat dann sein Auto vor Jeans Haus abgestellt und ist anschließend noch mindestens viermal die Straße auf und ab gelaufen. Ich glaube, er wollte zu Mevrouw Verbist.«
Als Deleu sie fragend ansah, zog sie vielsagend eine Augenbraue hoch. »Mijnheer Verbist war bei der Arbeit. Na ja, man sollte so was eigentlich nicht sagen, wenn man sich nicht sicher ist, aber trotzdem.« Sie legte eine dramatische Pause ein. »Nicht, dass sie öfter Männerbesuch hatte, verstehen Sie mich nicht falsch. Maggie war eine ordentliche Frau. Vielleicht hätte sie die Kinder etwas strenger erziehen sollen. Obwohl … eigentlich sind sie … waren sie doch sehr liebe Kinder.«
Sie schluckte hörbar und betupfte sich mit einem zerknüllten Spitzentaschentuch die stark geschminkten Augenlider. »Sehen Sie zu, dass Sie den schnell zu fassen kriegen, junger Mann.«
»Wir tun unser Möglichstes. Wer ist denn Jean?«
»Ach, natürlich, das können Sie ja nicht wissen.«
Sie ließ das Spitzentaschentuch wie ein perfekter Zauberer im Ärmel verschwinden und wies mit ihrem knochigen Zeigefinger auf ein Haus schräg gegenüber, zwei Häuser weiter als das der Verbists.
»Dort hat er seinen Wagen geparkt?«, fragte Deleu.
»Ja.« Es klang bestimmt.
»Wissen Sie noch, was für ein Auto es war?«
»Ja, natürlich, es war ein khakifarbener BMW 320 i, mein Schwiegersohn fährt genauso einen. Ich kann Ihnen sogar bis auf den letzten Euro genau sagen, was so ein Schlitten kostet.« Sie schnaufte abfällig. »Ich habe mir das Kennzeichen notiert, na ja, zumindest die Buchstaben, die ersten beiden. Der dritte war zu blass, und Zahlen kann ich aus der Entfernung überhaupt nicht lesen. Nicht mehr, es geht eben bergab, wenn man älter wird. Davon kann ich ein Liedchen singen.«
»Können Sie sich an die Buchstaben noch erinnern?«
»Nein, das nicht, aber ich schreibe mir alles auf, mein Gedächtnis lässt mich nämlich hin und wieder im Stich.«
Sie schlurfte zu dem wackligen Büfett, zog mühsam eine Schublade auf, holte ein abgegriffenes Notizbuch heraus, leckte ihren Daumen an, blätterte die Seiten durch und sagte: » AD .«
»Würden Sie den Mann auf einem Foto wiedererkennen, Mevrouw Pauwels?«
»Hm.«
»Es wäre sehr wichtig.«
»Ist er der Mörder?«
»Das weiß ich nicht, aber für unsere Ermittlungen wäre es auf jeden Fall sehr nützlich. Darf ich einen Kollegen mit einem Foto vorbeischicken?«
»Versuchen kann ich es ja mal.«
»Können Sie sich noch daran erinnern, wie er gekleidet war?«
»Nein, das kann ich nicht sagen.«
Deleu schaute sie mit gerunzelter Stirn an.
»Er trug einen
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