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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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Versuchung geraten. Und wenn er seinem angeborenen Jagdinstinkt nachgeben würde? Natürlich würde er das nicht, aber nur mal angenommen? Angenommen, er würde sich von Danielle einmal so richtig verwöhnen lassen, mit allem Drum und Dran. Und dann? Wäre es Barbara gegenüber gemein? Würde er für den Rest seines Lebens Schuldgefühle empfinden? Würde ihre Beziehung irgendwann daran zerbrechen?
    Und wenn er sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen eine Geschlechtskrankheit zuzöge und Barbara damit ansteckte? Barbara, die er über alles liebte – das stand außer Frage. Barbara, die noch ein Kind wollte. Sie hatten nächtelang wachgelegen und darüber nachgedacht. Rob war schon vierzehn. Der Altersunterschied wäre enorm. Aber es war ihre letzte Chance. Barbara war achtunddreißig. Würde er, Dirk Deleu, dann aber wie geplant mit sechzig in Rente gehen können?
    Er erinnerte sich noch in allen Einzelheiten an die bewusste Nacht, jene Nacht, in denen sie alle ihre Zweifel über Bord geworfen hatten – die heißeste Liebesnacht seit ewigen Zeiten. Deleu spürte, wie er rot anlief. Er konnte nichts dagegen tun, da war es wieder, dieses hartnäckige Kindheitsleiden. Er fühlte sich überaus unbehaglich, als die flachsblonde Serviererin seinen Strammen Max brachte. Doch die junge Frau merkte wohl nichts, sie hatte viel zu viel zu tun, um sich um das Erröten eines durchschnittlichen Mannes in den mittleren Jahren zu kümmern.
    Die mittleren Jahre. Früher, als er jung war, hatte er nie darüber nachgedacht, dass diese Zeit irgendwann einmal kommen würde. Damals schien alles noch so weit weg.
    Deleu aß bedächtig seine Eier und versuchte, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Er konzentrierte sich auf die Morde. Es war genau die richtige Zeit und der richtige Ort. Dies hier war einer seiner Lieblingsplätze zum Nachdenken: entweder auf einer Parkbank oder ganz hinten in einem Schnellrestaurant, abgeschirmt vom Stimmengewirr im Eingangsbereich.
    Er ließ seinen Gedanken freien Lauf. Ohne festes Muster, alles kam und ging, flüchtig und ungreifbar.
     
    Was ging im Kopf dieses Verrückten vor? Was wollte er erreichen? Es hatte bisher weder anonyme Bekennerschreiben gegeben noch Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei. Der Täter empfand offenbar nicht das Bedürfnis, mit seinen Heldentaten anzugeben.
    Genau diesen Charakterzug hatte Eveline in ihrem Profil betont.
    Die gefährlichsten Soziopathen waren die, die ihre Taten im Stillen genossen. Die die Spannung ganz allmählich aufbauten. Die ein Ziel hatten. Doch was war sein Ziel? Was wollte er erreichen? All diese religiösen Aspekte. Die Religion gehörte offensichtlich zu seinen wichtigsten Triebfedern. Und was in Gottes Namen machte er mit dem Fötus?
    In Gottes Namen … Gott … War es das? War das sein letztendliches Ziel? Wollte er ein Gott werden? Und der Fötus? Wozu sollte der Fötus dienen? Was symbolisierte ein Fötus? Reinheit, ein Fötus ist rein, rein und unbefleckt. Und die Kinder, diese betenden Posen. Wollte er sie von ihrer schlechten Mutter erlösen? Aber warum ermordete er sie hinterher dennoch? Warum war er auf schwangere Frauen fixiert? Waren in seinen Augen nur die schwangeren Frauen »schlecht« und »unrein«? Und fühlte er sich deshalb von ihnen angezogen? Wollte er die Frauen von ihrem irdischen Leiden erlösen? Wie fühlte er sich nach dem Mord? Erleichtert? Befriedigt? Wie ein Wohltäter? Wie ein Gott?
    Deleu schloss die Augen und versuchte, sich in die Psyche des Mörders hineinzuversetzen. Er ließ ungefähr ein Drittel seiner Eier liegen und schob den Teller von sich weg, obwohl er eigentlich großen Hunger hatte. Er stützte einen Ellbogen auf den Oberschenkel und legte den Kopf auf die geballte Faust.
    Der erste Mord! Der Mörder hatte gewusst, dass Mevrouw Poulders schwanger war, aber nicht, dass sie abgetrieben hatte. Wie war das möglich? Niemand außer dem Gynäkologen hatte von der Schwangerschaft gewusst. Wahrscheinlich nicht einmal der Ehemann. Hatte Mevrouw Poulders einen Geliebten gehabt und war in Panik geraten, als sie von der Schwangerschaft erfuhr? Hatte sie ihm gedroht? Nein, zu simpel. Ein Liebhaber würde niemals einen solchen Mord begehen. Würde Barbara abtreiben lassen, wenn Deleu das Kind nicht wollte? Nein, nein und nochmals nein … So etwas käme ihr nie in den Sinn. Wusste Mevrouw Poulders, dass ihr Mann regelmäßig zu Danielle ging, und hatte sie das Kind deshalb wegmachen lassen? Nein, wenn

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