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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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größten Teil des Tages. Deleu schaute aus dem Fenster. Tatsächlich konnte man von hier aus einen großen Teil der Auffahrt der Verbists überblicken. Die Haustür selbst war zwar nicht zu sehen, aber man konnte beobachten, wer ein und aus ging. Deleu hörte Schritte, eilte ins Wohnzimmer und hechtete in seinen Sessel.
    »Empfangen Sie Ihre Gäste immer hier, Mevrouw Pauwels?«
    »Ja. Milch und Zucker?«
    »Ja, danke. Empfangen Sie sie nicht im Wohnzimmer?«
    »Das hier ist das Wohnzimmer, junger Mann, und in der guten Stube halte ich mich so gut wie nie auf. Ich habe viel zu viel zu tun. Ich empfange alle meine Gäste hier.«
    Deleu rührte in seinem Tee und trank, ohne die Tasse näher anzusehen, einen tüchtigen Schluck.
    »Was wollte denn der Stromableser, Mevrouw Pauwels?«
    »Oh, er wollte den Zwischenstand ablesen, weil die Rechnungen in Zukunft auch monatlich bezahlt werden können. Als ich erwiderte, das interessiere mich nicht, behauptete er, er müsse aber nachsehen, und dann sagte er noch, er wolle auch überprüfen, ob meine Schlösser alle in Ordnung seien. Das Ganze klang ziemlich unzusammenhängend. Aber der hat Augen gemacht, sage ich Ihnen! Hier kommt keiner rein, keiner! Mein verstorbener Mann hat die Schlösser eigenhändig angefertigt. Er war nämlich Schlosser, wissen Sie.«
    Sie lachte verschmitzt und trank genüsslich von ihrem Tee.
    »Ach, ich hatte das Gefühl, der junge Mann wollte sich nur mal ein bisschen unterhalten. Er hat bestimmt eine Stunde lang bei mir gesessen. Wir haben über alles Mögliche geredet. Er war wirklich freundlich, und er machte einen ehrlichen Eindruck. Das ist heutzutage selten geworden, dass junge Leute die älteren mit Respekt behandeln. Die meisten mustern einen nur so von Kopf bis Fuß und können gar nicht schnell genug wieder das Weite suchen, um sich in ihr Lotterleben zu stürzen und uns ältere Leute ohne einen Funken Respekt …«
    »Trug er eine Uniform?«, unterbrach Deleu ihre Tirade.
    »Nein, er war in Zivil. Er trug ein grünes Polohemd, eine graue Hose und eine graue Jacke.«
    Deleu runzelte die Stirn, beeindruckt von ihrer Beobachtungsgabe.
    »Und er war Stromableser?«
    »Junger Mann, glauben Sie im Ernst, ich könne einen Stromableser nicht mehr von einem Polizisten unterscheiden?«
    »Entschuldigung. Ich habe mich nur gefragt, ob er vielleicht von der Rijkswacht war.«
    »Nein, und er war auch kein Bezirkspolizist, denn die kenne ich alle. Außerdem war er in Zivil, wie ich bereits sagte. Bevor ich ihn reingelassen habe, habe ich mir aber seinen Ausweis zeigen lassen, denn ansonsten lasse ich niemanden rein, den ich nicht kenne.«
    Deleu musste sich ein Lächeln verkneifen und fragte: »Aber warum haben Sie mich denn so ohne weiteres hineingelassen?«
    »Na, weil ich Sie kenne. Ich habe Sie zufällig hier gegenüber reingehen sehen, vor zwei – oder drei? – nein, vor zwei Tagen. Bei Ihnen war ein Herr, der aussah wie dieser schlampige Kommissar aus dem Fernsehen.« Deleu war perplex, verzog aber keine Miene.
    »Columbo?«, fragte er grinsend.
    »So genau weiß ich es nicht, die Sendung gibt es nicht mehr. Da kam wohl nicht genug – na, Sie wissen schon – drin vor.« Sie zwinkerte vielsagend. »Jedenfalls war es so ein kleiner mit einem schmuddeligen Trenchcoat und halb zusammengekniffenen Augen.«
    »Clint Eastwood vielleicht?«
    »Ja, ich glaube, der war es.« Die dürre alte Frau führte mit zittrigen Fingern die Teetasse zum Mund und nippte zufrieden daran.
    »Ah, ja… gut beobachtet. Und, äh, haben Sie den Stromableser noch einmal gesehen, nachdem Sie mich mit Clint Eastwood das Haus betreten sahen?«
    »Nein, nicht, dass ich wüsste.«
    »Können Sie ihn beschreiben?«
    »Na ja, er war etwa zwanzig Jahre jünger als Sie. Wie alt sind Sie?«
    »Zweiundvierzig.«
    »Hmm … na ja, das könnte hinkommen … Haben Sie Kinder?«
    »Ja, eines, einen Sohn.«
    »Das ist gut. Söhne sind besser als Töchter. Ich wünschte, ich hätte einen Sohn. Der hätte vielleicht Ordnung schaffen können in diesem Hühnerstall. Wenn Sie vier Töchter haben, geht’s bei Ihnen zu wie im Hühnerstall. Ein ewiges Getratsche und Gekicher, das können Sie mir glauben.«
    »Würden Sie den Mann auf einem Foto wiedererkennen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Können Sie ihn mir genauer beschreiben?«
    »Tja, wie gesagt, er war noch ziemlich jung, schlank, hatte glattes, nach hinten gekämmtes, rabenschwarzes Haar, eine Habichtsnase und schwarze Augen, tief

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