Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
fuhr fort: »Jedenfalls die Ältere … die Jüngere war erst knapp sechs Monate alt. Die Ermittlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Eltern praktisch gleichzeitig starben. Den Mann hat er drei Mal in den Rücken gestochen, die Frau hatte sieben Messerstiche in der Brust, davon vier tödliche. Das ältere Mädchen ist mit dem Hinterkopf irgendwo aufgeschlagen und hat wahrscheinlich für eine Weile das Bewusstsein verloren.«
»Gott sei Dank«, seufzte Deleu, wobei er den Blick nicht von der Leinwand abwandte. Bosmans war es, als hörte er etwas in Deleus Stimme brechen. Er hoffte inständig, dass sein Freund dem Druck standhalten würde.
»Und, war einer der Besucher auf beiden Begräbnissen?«, flüsterte Bosmans Deleu ins Ohr.
»Nein, keiner, außer dem Pastor und dem Bestatter«, antwortete Deleu grinsend. Er schämte sich für seinen Galgenhumor, der hauptsächlich seiner ohnmächtigen Wut zuzuschreiben war.
Deleu hatte fest damit gerechnet, dass der Täter auf beiden Videozusammenschnitten zu sehen sein würde, obwohl das noch nicht heißen musste, dass man ihn auch zweifelsfrei identifizieren konnte. Schließlich lockten solche grausamen Morde immer eine Menge Gaffer zu den Beerdigungen. Als röchen sie die Blutspur. Aber selbst das traf in diesen Fällen nicht zu.
Deleu führte es auf die Tatsache zurück, dass die Nachricht von dem ersten Blutbad kaum an die Öffentlichkeit gedrungen war. Na schön, vielleicht hatten sie beim nächsten Mal mehr Glück. Ihm sträubten sich die Haare bei dem Gedanken.
»So, und jetzt aufgepasst, meine Herren, hier kommt er«, blaffte der stellvertretende Staatsanwalt und spulte die Aufnahme in Zeitlupe zurück. »Sehen Sie, da, der Mann im grauen Mantel, er ist offensichtlich sehr aufgewühlt. Aber seine Gefühle passen nicht zu seiner Rolle bei der Beerdigung. Er nähert sich weder den Verwandten der Verbists, noch gehört er offenbar zu den Freunden oder entfernteren Verwandten. Wir werden von diesen Bildern die bestmöglichen Fotoausdrucke herstellen, und ich verlange von Ihnen, sämtliche Verwandte, Freunde und Bekannte, also alle Personen, die auf diesem Film erkennbar sind oder von denen wir sonst wissen, mit den Fotos dieses Mannes zu konfrontieren. Bitte meine Herren, denken Sie daran, dass dieser Auftrag höchste Priorität besitzt. Ich bin überzeugt, dass es sich bei dieser Person um den Mörder handelt.«
Das Licht wurde eingeschaltet, und das Stimmengewirr im Saal schwoll immer lauter an.
»Ich hoffe, dass der Kerl nicht in Kürze sein Porträt an jeder Straßenecke sieht«, grinste Bosmans.
»Oder in
XY ungelöst
«, fügte Deleu gefasst hinzu.
»Oder dass er von einem übereifrigen
Rijkswachter
vermöbelt wird. Ach, Entschuldigung, Rijkswachter darf man ja nicht mehr sagen. Sicher heißt das jetzt ›Mitglied der Einheitspolizei‹.«
Deleu wusste, dass es Bosmans vor der geplanten Zusammenlegung der verschiedenen Polizeibehörden graute. Obwohl er die Meinung seines Freundes nicht teilte, diskutierte er nicht mit ihm darüber. Einen alten Baum konnte man nicht mehr verpflanzen. Bosmans war schon so lange mit seinem Beruf verwachsen, dass man ihn sowieso nicht mehr bekehren konnte. Er war fest davon überzeugt, dass er in Zukunft nicht mehr mit gestandenen Kripobeamten, sondern mit unerfahrenen Grünschnäbeln würde arbeiten müssen.
Reusens schlüpfte in seinen Mantel und verschwand.
»Okay«, sagte Bosmans. »Wir müssen jetzt folgendermaßen vorgehen: Eveline hat in ihrem Bericht etwas von Strafe für Unreinheit geschrieben. Wir wissen, dass Poulders fremdging. Also sollten wir dieser Nutte mal einheizen. Ich will wissen, wo er sie kennengelernt hat, ob er sie häufig besuchte und wer wusste, dass Poulders fremdging. Das müsste leicht rauszukriegen sein, die brüsten sich doch alle damit vor den Kollegen.«
»Wir müssen aber auch rauskriegen, ob die Frau fremdging, Jos. Ich glaube, dass der Täter ausschließlich auf die Frauen fixiert ist. Er will sich an allen schlechten Müttern rächen.«
»Wusste Mevrouw Poulders, dass ihr Mann sie betrog?«, fragte Jos. »Das ist der Knackpunkt. Wenn er auf die Frauen fixiert ist. Mist, Deleu, ich dreh mich allmählich im Kreise. Komm, wir sollten uns jetzt zuerst auf die Nutte konzentrieren.«
[home]
9
D iesmal hatte Deleu vorher eingehende Erkundigungen über die Nachbarn der Familie Verbist eingezogen. Bevor er das Haus der Verbists in
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