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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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Sie hatte einen kräftigen Händedruck. Sie holte sich einen Stuhl und setzte sich neben Bosmans. Kerzengerade, so dass sie ihn überragte. Eine Technik, die er bei Vernehmungen regelmäßig selbst einsetzte. Wenn man sich höher positionierte als den Befragten, fühlte dieser sich unterlegen und ließ sich leichter zu einem Geständnis hinreißen. Leider funktionierte diese Technik nicht bei Psychopathen. Bei denen musste man eher eine unterwürfige Haltung einnehmen, na ja, manchmal jedenfalls. Deleu war ein Meister der Vernehmungstechnik. Es war ihm mehrmals gelungen, den unberechenbarsten Gestalten Geständnisse oder nützliche Hinweise zu entlocken. Ein Wolf im Schafspelz, dieser Dirk Deleu.
     
    »Ich weiß, warum du hier bist«, sagte Barbara nach einer peinlichen Stille.
    »Tut mir leid«, murmelte Bosmans, der Barbaras forschenden Blick fast körperlich spürte. Er beschloss, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen.
    »Wir brauchen ihn, Barbara.«
    Dabei sah er sie eindringlich an. Obwohl ihre Augen glasig waren, als schaue sie durch ihn hindurch, wandte sie den Blick nicht ab.
    »Wir sind mit unserem Latein am Ende. Sie werden nicht aufhören zu morden, nie. Sie genießen es.«
    »Ich habe nichts gegen dich persönlich. Das weißt du«, sagte Barbara.
    »Ja, das weiß ich.«
    »Dirk hat einen Sohn, Jos. Einen heranwachsenden Sohn, der seinen Vater braucht.« Barbara hängte ihren Mantel an die Garderobe.
    »Und bald auch eine Schwiegertochter«, flüsterte Bosmans.
    Deleu sah seinen Augen an, dass er scherzte. Dieser scheinheilige Kerl, der wollte ihn testen! Als wüsste er nicht, dass Rob eine Freundin hatte. Sie waren ein Team, auch jetzt noch. Diese wachsende Gewissheit beunruhigte ihn. Barbara setzte sich wieder, diesmal auf das Sofa, neben Deleu. Sie legte ihm die Hand auf den Oberschenkel.
    »Er hat alles gegeben, Jos. Nach dem Krankenhaus neun Monate Reha, und anschließend hat man ihn fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Genau wie Jean-Marc.«
    »Ich weiß, Barbara, alle wissen das. Aber das ist doch bald nur noch Geschichte.«
    »Nein, der ›Witte Mars‹ und die Spaghetti-Affäre, die machen Geschichte. Die namenlosen Wasserträger, die Helden hinter den Kulissen, die die Drecksarbeit leisten, die schreiben keine Schlagzeilen. Die müssen in die Reha, falls sie denn überleben.« Barbaras Hand verkrampfte sich um Deleus Oberschenkel, und sie holte tief Luft. »Entschuldige«, sagte sie, keineswegs überzeugend. »Du konntest ja nichts dafür. Aber wenn Dirk aufhören will, dann hat niemand das Recht, ihn daran zu hindern, nicht mal du … Es geht nicht um mich, sondern um ihn.«
    Bosmans schaute Deleu an und nickte nur.
    »Wie geht es Rob?«
    »Oh, gut. Er ist groß geworden. Die Kinder werden so schnell erwachsen. Und wie geht es Eva und Truus?«
    »Ach, wohl auch gut. Ich sehe sie nur selten: Vatertag, Neujahr … zu solchen Gelegenheiten eben. Eva ist verheiratet, Truus wohnt mit ihrem Freund zusammen. Sie sind glücklich, glaube ich. Hoffe ich. Sie führen ihr eigenes Leben. So erwachsen sind sie schon.«
    »Ich hoffe, du fühlst dich nicht zu einsam«, sagte Barbara. Bosmans’ markante Kieferpartie verhärtete sich für einen Augenblick noch mehr.
    »Nein, dazu habe ich gar keine Zeit.«
    Barbara, die spürte, dass Bosmans nicht über seine Scheidung reden wollte, unterdrückte ihre Neugier und fragte: »Möchtet ihr noch etwas trinken?«
    Bosmans stützte sich mit einer Hand auf der Rückenlehne des Sofas ab, erhob sich mühsam, vermied Blickkontakt mit Deleu, als er ihm kräftig die Hand drückte, und sagte: »Ich geh dann mal. Ich muss heute noch zurück nach Mechelen. Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen sollen heute Abend abgeschlossen sein.« Er betonte die Worte »heute Abend«.
    Er zog seinen Mantel an und ging, nachdem er sich mit einem kurzen Nicken verabschiedet hatte. Barbara schaute Deleu an. Sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Soll ich jetzt mal mit dem Essen anfangen?«
    »Wann kommt Rob denn nach Hause?«
    »Der isst heute bei Freunden zu Abend.« Barbara hob das Wort »Freunde« besonders hervor. Deleu reagierte nicht. Er war schon wieder ganz in Gedanken versunken. Barbara ging in die Küche und stellte die Kartoffeln auf den Herd. Sie drehte sich um, musterte sich im Spiegel über der Anrichte, strich über die Fältchen um die Augen, seufzte tief und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Sie setzte sich neben ihren Mann und flüsterte: »Es ist deine Entscheidung,

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