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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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und wenn Mijnheer Poulders der Täter wäre, dann hätte er sich selbst mit einem Stilett umgebracht. Nur fünf der siebzehn Messerstiche in Poulders’ Körper waren oberflächliche Wunden, die übrigen zwölf waren tödlich gewesen, wie die Autopsie ergab. Poulders konnte sich aber nicht nach seinem Tod Stichwunden zugefügt haben, und die These, dass er erst langsam angefangen und dann erst richtig zugestochen hatte, war ebenfalls unsinnig. Deleu erschauerte. Selbstmörder wählten in der Regel einen schnellen, möglichst schmerzlosen Tod.
     
    Der Unterschied in Intensität und Tiefe der Messerstiche bei sowohl Mevrouw als auch Mijnheer Poulders bildete die Basis für die zweite Theorie.
    Danach hatte es zwei Täter gegeben, die gemeinsam operierten. »Operieren, Scheiße. Ja, operiert haben sie, das kann man wohl sagen«, schimpfte Deleu leise vor sich hin. Wahrscheinlich ein Mann und eine Frau, so stand es im Bericht, was eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Winkel, Muster und Tiefen der Stichwunden wäre.
    Deleu schaute auf die Digitaluhr. Drei Minuten vor zwölf. Er seufzte.
    Er musste an Margot Verbraecken denken, eine Schulfreundin von Barbara, eine Wuchtbrumme von annähernd hundert Kilo, die in der Lage gewesen wäre, ihren Mann André mit einem Fingerschnippen zu ermorden.
    Alle Wunden stammten von ein und demselben rasiermesserscharfen Stilett, das hatte die gerichtsmedizinische Untersuchung eindeutig ergeben. Die Klinge wies auf einer Seite eine Unregelmäßigkeit auf. Sie mussten daher abwechselnd mit derselben Waffe zugestochen haben.
    Deleu wollte diese Möglichkeit keineswegs ausschließen. Doch der Täter hatte überall deutliche Spuren hinterlassen: Fuß- und Fingerabdrücke, Kratzer, Haare … Es sah fast nach Absicht aus. Von einem zweiten Täter dagegen keine Spur. War der eine vielleicht aktenkundig und der andere, der so dilettantisch aufgetreten war, nicht? Dann musste die Frau, falls es sich um eine Frau handelte, vorbestraft sein, denn eine Frau mit Schuhgröße 45 schien ihm, abgesehen von Margot, recht unwahrscheinlich.
    Deleu rieb sich die müden Augen und wunderte sich darüber, wie schnell er wieder als Ermittler eingesetzt worden war. Bosmans hatte sich wirklich ins Zeug gelegt, um ihn so rasch wie möglich wieder zu integrieren.
    Er schaute erneut auf die Uhr: dreiundzwanzig Uhr achtundfünfzig, noch zwei Minuten. Er wollte exakt zum selben Zeitpunkt das Haus betreten wie der oder die Täter. Er wollte das Gefühl der Aufregung verspüren, die Umgebung in demselben Licht wahrnehmen, dieselben Geräusche hören. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf dem Aschenbecher herum und drückte seine Belga aus. Er schaute in den Spiegel, sah sich als Jagdhund mit ungewöhnlich langer Schnauze, strich sich das Haar glatt und fragte sich, warum er das tat.
    Lautes Donnern. Die Eisenbahngleise verliefen nur dreihundert Meter hinter dem Garten der Poulders. Hatten sie auf einen vorbeifahrenden Zug gewartet, bevor sie in das Haus eingedrungen waren? War das der letzte Zug nach Brüssel oder Antwerpen gewesen? Deleu wollte kein einziges Detail außer Acht lassen.
    Er legte den Kopf auf das Lenkrad, schloss die Augen und stützte das Kinn auf die Handfläche.
     
    Die dritte Theorie ging von einem Einzeltäter aus, der erst Michelle Verworst umbrachte, dann im Haus auf Marc Poulders wartete, ihn im Bett ermordete und zuletzt das Töchterchen mit einem Schlag in den Nacken tötete. Poulders wurde im Bett erstochen. Das Muster der Blutflecken unter den Decken, der Einstichwinkel des Messers, alles deutete darauf hin. Also musste Poulders sich entweder in ein leeres Bett oder neben seine tote Frau gelegt haben. Und was war mit den Blutspuren im Schlafzimmer? Die musste er doch bemerkt haben. Poulders war nämlich nicht betrunken gewesen. In seinem Blut hatte man keinerlei Reste von irgendwelchen Rauschmitteln gefunden.
     
    Dirk Deleu seufzte, schaute auf die Uhr, schlug die Autotür zu, klappte den Mantelkragen hoch und bekam eine Gänsehaut. Er steckte die Hände in die Taschen und atmete tief ein und aus. Die kalte Nachtluft machte ihn schwindelig.
    Die bürgerliche Wohngegend, die helle Mondsichel und die schneidende Luft weckten Erinnerungen an jenen kalten Dezemberabend vor zwei Jahren, an dem er nur mit knapper Not dem Tod entronnen war.
    Deleu, der darauf bestanden hatte, allein auf Erkundung zu gehen, um sich besser einfühlen zu können, wünschte auf einmal, Jos

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