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Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen

Titel: Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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in kleinen Schritten zum Ausgang. Während gedämpftes Stimmengewirr die riesige Kirche wieder zum Leben erweckte, blieb Deleu ruhig sitzen und betrachtete die Menschenmenge.
    War er unter ihnen? Sammelte er hier seine Informationen? Machte er sich das Geschwätz der Gemeindemitglieder zunutze?
    Fingerabdrücke! Ob es möglich wäre, vor dem Ausgang der Kirche Fingerabdrücke von allen Gläubigen zu nehmen? In Frankreich – oder war es in England gewesen? – hatte man einmal DNA -Proben von der Bevölkerung eines ganzen Dorfes gesammelt! Aber mit einer solchen Aktion würde Bosmans wahrscheinlich sowohl den Zorn der internationalen Presse als auch die Wut des gesamten belgischen Klerus auf sich ziehen. Ganz zu schweigen von der Empörung der christdemokratischen Politiker. Deleu musste insgeheim lachen über seine blühende Phantasie.
    Er konnte so angestrengt suchen, wie er wollte, er entdeckte keinen potenziellen Verdächtigen in der Menschenmenge. Dabei war es ihm durchaus schon gelungen, mit Hilfe seiner Intuition einen Täter aus einer Menschenansammlung herauszupicken. Aber das war lange her. Damals war er noch jung und ehrgeizig gewesen. Es war, bevor er Barbara kennengelernt hatte. Barbara, die ihn momentan wahrscheinlich verabscheute. Barbara, die er betrogen hatte. Barbara, die er hintergangen hatte.
    Deleu verachtete sich selbst. Warum hatte er bloß alles gebeichtet? Warum hatte er sich nicht wie schon so oft eine Ausrede einfallen lassen?
    Er warf einen Blick zum Altar hinüber. Hermans war in ein Gespräch mit einem Gemeindemitglied vertieft. Was hatte er, Dirk Deleu, hier überhaupt zu suchen? Er war kein Teil des großen Räderwerks mehr. Der belgische Staat hatte ihn wieder mal ausgespuckt.
    Welche Fragen sollte er dem Pastor stellen? Sein einziger konkreter Anhaltspunkt war, dass dessen Telefonnummer in Harry Luytens Notizbuch gestanden hatte. Irgendetwas zog ihn hierher, aber was? Na ja, einen Aufhänger hatte er, das musste für den Augenblick reichen.
    Während einige besonders treue Gottesdienstbesucher sich noch hinten in der Kirche unterhielten, nahmen vier von ihnen auf der vorletzten Bank Platz.
    Deleu runzelte die Stirn. Was hatte das zu bedeuten? Die warteten doch nicht etwa auf den Pastor? Doch, natürlich. Hermans ging auf sie zu, grüßte sie mit einem kurzen Kopfnicken und begab sich zum Beichtstuhl. Sein weißes Priestergewand flatterte hinter ihm her. Weiß? Nein, nicht ganz, es war mit purpurnen Biesen und Stickereien verziert. Purpurrote Fasern …
    Durch sein kurzes Zögern verlor Deleu den Anschluss. Er versuchte noch, mit Riesenschritten den Pastor einzuholen, aber umsonst, Hermans war bereits hinter der Gardine verschwunden. Deleu überlegte schon, die Gardine beiseitezuschieben, aber er tat es nicht, vor allem, weil ihm bereits mehrere Gemeindemitglieder unfreundliche Blicke zuwarfen.
    Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Er hätte gerne Jos Bosmans angerufen, aber als er nach dem Handy am Gürtel greifen wollte, fiel ihm ein, dass er keines mehr hatte. Er reihte sich in die Schlange der Bußfertigen ein und wartete geduldig, bis er an die Reihe kam. Es war zum Haareraufen. Sechs Wartende saßen vor ihm, zwei waren noch hinzugekommen. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Alle hier trugen ihren Sonntagsstaat. Schon weil Deleu dieses äußerliche Getue hasste, war er nie zum praktizierenden Katholiken geworden. Er glaubte zwar irgendwie an eine höhere Macht, wollte sich aber nicht so recht festlegen.
    Er blickte sich aufmerksam um – keine hölzernen Kruzifixe – und konzentrierte sich auf den Beichtstuhl. Das reich verzierte Möbelstück hätte in jedem Museum als Prunkstück dienen können. Schließlich blieb sein Blick an der schweren Samtgardine haften, hinter der der erste Gläubige verschwunden war.
    Was geschah in dem Moment in dem engen Kabuff? Verriet der Beichtende dem Pastor wirklich seine tiefsten Geheimnisse? Oder behielt er das Schlimmste für sich? Deleu rieb sich die müden Augen.
    Was, wenn der Mörder …? Wenn er seine Morde beichtete? Was, wenn der Schlächter so krankhaft fromm war, dass er bei der Beichte über seine Morde sprach? Würde der Pastor, an das Beichtgeheimnis gebunden, diese Information für sich behalten?
    Darauf musste er Hermans unbedingt ansprechen. Aber wie? Wie fasste man so etwas in Worte? Schließlich war es ein wirklich heikles Thema.
    Deleu durchlief ein Schauder. Er war hochkonzentriert, angespannt bis in die

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