Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
geklemmt.
»Die Kassenobligationen. Zehntausend Euro, und ich lasse dich in Ruhe, für immer.«
»Wozu brauchst du so viel Geld?«
»Blödmann!«, zischte Chris und schob ihren Ärmel hoch. Ihr Unterarm glich einer Mondlandschaft.
»Meine Freunde und Freundinnen warten auf den Rest des Geldes«, fuhr sie ihn an. »Und sie wissen, wo ich bin!«
Verbist starb tausend Tode.
»Wichtchen … Dreckiger Junkie! Ich brauche das Geld, für Ilsa …« Verbist packte sich an den Kopf. »Für Willeke, für Wichtchen, verdammt noch mal!«
»Du gibst mir die zehntausend Mäuse, und ich gebe dir hundert Wechselgeld, okay?«
Die Stille war erstickend.
»In Ordnung«, sagte Verbist plötzlich laut und deutlich und ging ins Schlafzimmer. Auf dem Weg dorthin riss er die Tapete ein Stück weit auf.
Hilf mir, Molok. Hilf uns.
»Was machst du da?«
»Ich hole mein Kind.«
»Nichts da. Sie bleibt hier.«
»Aber …«
»Kein Aber. Sie bleibt. Jetzt geh schon, du hast sowieso keine andere Wahl«, fauchte Chris.
Verbist ging in die Diele, zog seine gefütterte Pilotenjacke an, schob den Wandschrank zur Seite, kletterte auf einen Stuhl, hakte ein Leinensäckchen von einem Nagel, holte die Kassenobligationen heraus, rollte sie zusammen und steckte sie in die Innentasche. Gelassen ging er zur Tür.
»Noch eine Frage«, sagte Chris, bevor er sich auf seinen schweren Weg machte. »Warum hast du das getan?«
Das rätselhafte Lächeln um Verbists Lippen jagte ihr einen kalten Schauder über den Rücken. Ihr ganzer Körper schrie nach einem Schuss.
»So ein Schlappschwanz wie du. Du siehst gar nicht aus wie ein Mörder.«
»Es war ein Unfall«, antwortete Verbist mit hohlem Grinsen.
»Ein Unfall! Ha, einen Unfall nennst du das!«
»Wenn du Wichtchen auch nur ein Haar krümmst, wirst du den Schlappschwanz mal kennenlernen! Dann wird dir ein viel schlimmerer Unfall zustoßen!«
»He, keine Drohungen, Freundchen!«
Verbist war bereits draußen im Treppenhaus. Chris blieb mit Wichtchen und ihren nagenden Zweifeln zurück.
[home]
Donnerstag, 27 . November – 8 Uhr 53
G egen neun Uhr morgens hatten sie das vornehme Herrenhaus gründlich auf den Kopf gestellt, aber nirgendwo war auch nur die Spur eines Mietvertrages oder etwas Ähnliches zu finden gewesen. Die Nachbarin wusste allerdings zu berichten, das Mijnheer Commandeur tatsächlich Wohnungen vermietete, doch wie viele und wo genau war ein streng gehütetes Geheimnis. Ebenso wie sein Urlaubsziel.
»Hat er Kinder, Verwandte?«, fragte Nadia, die sich zu Deleu gesellt hatte, mutlos. Sie blickte sich um. Das geschmackvolle Wohnzimmer glich inzwischen einer brasilianischen Favela nach der Regenzeit.
Deleu, der todmüde aussah – sein Gesicht war aschfahl, und er hatte Ringe unter den geschwollenen Augen –, blickte starr an die Wand. Dort hing ein Porträt von Jef Briels in vollem Ornat. Commandeursabzeichen auf dem Revers seines steifen Gehrocks. Abweisend blickte er in die Kamera, Misstrauen in den tief liegenden Augen.
»Nicht einmal Kontoauszüge haben wir gefunden«, fuhr Nadia Mendonck fort, mehr zu sich selbst als zu ihrem Kollegen. »Vielleicht sollten wir alle Banken in der Umgebung anrufen. Eine davon müsste doch Kopien von den Mietverträgen haben.«
Sie hob den Blick, befühlte Deleus glühende Stirn und wischte ihm den Schweiß ab.
»Du bist todkrank, Dirk. Geh bitte nach Hause und ruf einen Arzt.«
Deleu wirkte wie in Trance und starrte das Porträt an, das in einen schweren, vergoldeten Rahmen mit Eichenblattornamenten gefasst war.
Du trägst dein Geld nicht zu einer Bank, nicht wahr?
»Nicht wahr?«
Nadia Mendonck schüttelte den Kopf und ließ sich in einen Clubsessel mit genopptem Lederrücken fallen.
Er phantasiert ja schon!
»Du bewahrst alles zu Hause auf, denn du vertraust niemandem.«
Steifbeinig ging Deleu zwei Schritte nach vorn und riss das Porträt von der Wand. Das Abdeckglas zersprang auf dem von Hand verlegten Mosaikfußboden, und unter dem Bild kam ein Safe zum Vorschein.
»Wahnsinn!«, rief Nadia Mendonck.
Jokke Tormans schlüpfte aus dem hitzebeständigen Handschuh und drehte die Gaszufuhr ab. Während er mit einem spitzen kleinen Hammer auf das noch glühende Metall klopfte, hämmerte er mit der Faust auf den Safe-Knopf. Das Metallteil fiel zu Boden.
Als Erstes holte Tormans zwölf ordentliche Banknotenstapel aus dem Safe. Jeder enthielt hundert Fünfhundert-Euro-Scheine.
»Sechshunderttausend«, bemerkte Deleu mit
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