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Bossing - wenn der Chef mobbt

Titel: Bossing - wenn der Chef mobbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Fuchs , Andreas Huber
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10 Prozent bringen Untergebene und Kollegen des Mobbingopfers auf gemeinsamen Zerstörungskurs.
    Wie katastrophal die Lage ist, sehen wir daran, dass es erheblich weniger Vorgesetzte als Untergebene gibt. Da es keine verlässlichen Bossingzahlen gibt, müssen wir die Lage in etwa so einschätzen: Aufgrund vorliegender Studien muss man davon ausgehen, dass in Deutschland durchschnittlich 30 von 1000 Arbeitnehmern gemobbt werden. Von den durchschnittlich beteiligten 100 Chefs sind 15 bis 20 aktiv und eigenständig an der Mitarbeitervernichtung tätig. Das wäre ein Fünftel.
    In den beginnenden Mobbingdiskussionen Mitte der 1990erJahre wurde das Thema in der Öffentlichkeit als Sache unter Kolleginnen und Kollegen debattiert. Den Chefs wurde – und wird – zwar Führungsschwäche vorgehalten, weil sie die Situation nicht lösen könnten. Erst jetzt dringt durch, wie viele Führungskräfte am Mobbing aktiv beteiligt sind. Die vermeintliche Ausnahme ist der Regelfall. Das haben auch Forschergruppen in Großbritannien bestätigt, wie Charlotte Rayner (1997). Auch der Arbeits- und Betriebspsychologe Oswald Neuberger beschäftigt sich mit dem Thema. Nach einer Tagebuchstudie (Claudia Eilles-Matthiessen, 2000) hat man eine realistische Chance, einmal im Monat von Vorgesetzten gedemütigt zu werden.
    Die einzige uns bekannte sozial- oder betriebswissenschaftliche Arbeit zum Thema Bossing ist die Diplomarbeit von Severin Negri aus dem Jahr 2005, eingereicht bei der Zürcher Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung. Unter dem Titel »Bossing – Kosten und andere Folgen« sammelt sie statistische Daten aus der Schweiz, die aus dem Mobbingkontext stammen. »Einige Mobbing-Opfer«, kommentiert Negri die Daten, »denken teilweise an Suizid und sehen den Freitod als letzte Ausweichmöglichkeit. (…) Es ist jedoch nahezu unmöglich eine genaue Schätzung abzugeben, wie viele Freitode auf das Konto von Bossing gehen.« (Negri 2005, S. 19)
Kriegsbericht: Mitarbeiter im Fadenkreuz
    Herr Peter Petersen war über 20 Jahre lang Abteilungsleiter in einem mittleren Elektrounternehmen. Die Zusammenarbeit mit einem guten Dutzend Mitarbeiter lief gut. Er war erfolgreich und wurde von seinen Vorgesetzten wie Mitarbeitern gleichermaßen respektiert. Als das Unternehmen jedoch einen neuen Vorstand bekam, änderte sich auch Petersens Alltag. Dass er mit dem Neuen nicht ganz so führungskollegial gut konnte wie mit dessen Vorgängern, registrierte er, sagte sich aber: Das wird schon. Die erste Anweisung: Er sollte ohne jede Vorwarnung oderKenntnisnahme auf seinen wichtigsten Mitarbeiter verzichten. Herr B. wurde nach einem einwöchigen Auslandsaufenthalt, auf Anweisung von ganz oben versetzt. Es bestehe dringender Bedarf.
    Einige Tage darauf funktionierte plötzlich Herrn Petersens E-Mail-Programm nicht mehr. Der zuständige Experte war nicht zu erreichen. Als bald danach ein langjähriger Kunde bei Petersen anrief und sich beschwerte, weil er sich auf sein Schreiben mit der Analyse dringlichen Handlungsbedarfes nicht rühre, wurde Petersen etwas stutzig. In der Folgewoche wiederholte sich der Vorfall: Offensichtlich landete seine Post nicht mehr so selbstverständlich wie früher auf seinem Schreibtisch. Er sprach mit der Poststelle – alles wie gewohnt gelaufen, sagte man ihm.
    Solche Missgeschicke passierten nun häufiger, der neue Vorstand zitierte ihn zu sich: Warum habe er diese Direktive nicht befolgt? In der Praxis funktioniere diese Angelegenheit auf seine Weise besser, wandte Petersen ein. »Wollen Sie sich als Firmenlenker aufspielen?«, fragte der Vorstand und kanzelte Petersen ab.
    Doch noch immer sah Petersen kein System in den Vorfällen. Der in sich ruhende, selbstsichere Mensch Petersen wurde aber in seinem beruflichen wie privaten Alltag zunehmend unruhiger, Nervosität plagte ihn.
    Ein alter Kollege fragte ihn gar, ob er wirklich zu trinken angefangen habe – man munkle darüber im Betrieb, auch zum Mittagessen schon Bier … Der Kollege fragte, ob er denn Schwierigkeiten habe privat, vielleicht wegen der Kinder? An der Börse? Im Job, seit seine Stütze B. weg sei? Völlig absurd, lachte Petersen. Er begann aber nachzudenken: Waren die ein, zwei Viertel Wein zum Abendessen zu viel? Zum Mittagessen in der Kantine trinkt er sowieso nur Alkoholfreies. Schwierigkeiten zu Hause? Sein 14-jähriger Sohn bekommt tatsächlich Nachhilfeunterricht, aber in dem Alter ist das normal, das belastete ihn sicher nicht über Gebühr.

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