Bossing - wenn der Chef mobbt
zu halten. Das geschieht so lange, bis sie den Ärger selbst nicht mehr ertragen können und es zur Eskalation kommt. Dann reagieren meist beide Seiten entsprechend emotional.
Weit häufiger scheint der Typ des machtbesessenen Chefs zu sein, der Mitarbeiter wie Leibeigene behandelt. Sie neigen geradezu zu Schikane und Intrige. Sie fühlen sich durch Andersdenkende provoziert und von fachlich überlegenen Mitarbeitern bedroht. Fühlt sich ein solcher Vorgesetzter gegenüber dem Druckund dem Dauerstress überfordert, lässt er gern an Mitarbeitern Dampf ab. Solche Bosse spielen Psychospiele mit Mitarbeitern, um sich in einer »Ich bin o.k., du nicht«-Position selbst Anerkennung zu verschaffen, die sie in ihrer Arbeit nicht erhalten.
Aufzupassen gilt es, wenn Sie an einem neuen Arbeitsplatz beginnen. Hier ist es wichtig, die Balance zwischen Anpassung an bestehende Strukturen und Verwirklichung eigener Interessen zu finden. Arbeiten Sie als Neue/r etwa zu schnell und zu viel, fühlen sich die anderen eventuell unter Druck gesetzt, was Ängste auslösen kann. Zeigen Sie hingegen zu wenig Leistung oder wirken zu langsam, kann dies ebenfalls negative Reaktionen hervorrufen.
Der Mobbing-Report 2005 wertete auch die Ursachen für Mobbing aus, wie sie von Betroffenen selbst eingeschätzt wurden. Allen voran: unerwünschte Kritik geäußert zu haben. Auch dass sie als Konkurrenz empfunden wurden, stand als Auslöser weit oben. Danach folgen Neid sowie Spannungen mit dem Vorgesetzten.
Damit zeigt sich die Häufigkeit von Bossing unter den Mobbingfällen: Die Kritik hat mit aller Wahrscheinlichkeit die Chefs gekränkt und massive Gegenreaktionen ausgelöst. Bossing dient auch als Werkzeug zur Disziplinierung, um Mitarbeiter in ihre Schranken zu weisen, die Führungsverhalten oder unbefriedigende Arbeitsbedingungen offen angesprochen haben.
Neben den persönlichen Motiven fördern aber auch Fehler im System das Auftreten von Mobbing und Bossing. Durch Organisationsdruck vorbereitet, eskalieren Konflikte in klassischer Weise. Eine fehlerhafte Arbeitsorganisation macht für Attacken ebenso anfällig wie Strukturen, die Mitarbeiter systematisch über- oder unterfordern, rigide dysfunktionale Hierarchien, eine konfliktreiche, wettbewerbsorientierte Atmosphäre, ein schlechtes soziales Klima sowie das Versagen der Führungskräfte. Von ihnen sollte man heute erwarten können, betonen Mobbingforscher wie Ralf Brinkmann oder Birgitta Sticher, dass sie sich an bekannten Führungsprinzipien orientieren: Transparenz undInformiertheit, soziale und emotionale Integration, persönliche Wertschätzung der Mitarbeiter, konstruktive Rückmeldungen, kooperative Konfliktlösung, Partizipation, Zielvereinbarung. Darüber hinaus sollten sie sich fragen, inwieweit ihr Verhalten Vorbildcharakter aufweist und damit zur Identifikation der Mitarbeiter mit der Organisation beiträgt. Abhilfe schaffen hier Elemente des Personalmanagement: Führungskräftefeedback, Mitarbeiter- und Vorgesetztengespräche sowie Teamwork und Qualitätszirkel können dazu beitragen, eine Organisation gegenüber Mobbing zu immunisieren.
Doch sehr häufig erreichen nicht die menschlich, persönlich und fachlich Qualifiziertesten Führungspositionen, sondern jene, die sich durchsetzen können. Ob dies sozial verträglich oder gar kompetent ist, interessiert dabei meist wenig, solange es nicht besonders auffällt.
Prinzipiell ist Bossing als Mobbing der Vorgesetzten besonders bedrohlich, weil diese aus ihrer Position heraus die Macht haben, den Psychoterror weiter zu treiben.
Täterprofile 1: Die Psychogramme der Bosser
Die »Neurosen der Chefs« wurden in den 1990er Jahren gerne diskutiert: Die Psychologen Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader hatten mit ihrem gleichnamigen Bestseller den Nagel auf den Kopf getroffen. Eine auch im alltäglichen Gebrauch amüsante Auflistung von »Chef-Typen«, nämlich die »Bedienungsanleitung für Vorgesetzte« bietet Martin Wehrle in seinem Buch »Der Feind in meinem Büro«.
Über welche speziellen Eigenschaften verfügen bossende Führungskräfte? Sehen wir uns dazu zunächst die von den Psychologen Michael Paschen und Erich Dishmaier (aus: ManagerSeminare 112, Juli 2007, Seite 20) entwickelte Psychopathologie der Führungskräfte an, deren Grundtypen Sie in der folgenden Tabelle kennenlernen können.
Vier Führungstypen und ihre psychischen Störungen in der Überzeichnung
Typus
Kennzeichen
Psychische Störung in der
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