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Bostjans Flug - Roman

Bostjans Flug - Roman

Titel: Bostjans Flug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Tür mit den aufgenagelten Ochsenhörnern, der Jungkuh mit ihrem schmächtigen Kalbinnengehörn zur Warnung und Lehre. Doch nicht die Ochsenhörner wurden der Kuh zum Verhängnis, sondern der Hunger, der zur Tür herein
drängte, der Hungertod brachte sie um, weil die Kinder auf sie vergaßen, ihr kein Futter und kein Wasser gaben und sich auch ihr Gebrüll nicht erklären konnten. Als sie begriffen, was das Gezerre an der Kette bedeutete, war es zu spät, das Tier ließ niemanden mehr an sich heran, senkte drohend die Hörner und scharrte furchtbar mit den Klauen, bis es, an die Krippe gekettet, ermattete. Nun nahm die Kuh das von weitem hingeworfene Heu und den Wassereimer nicht mehr an: was sie ihr vorher nicht gegeben hatten, mochten sie nun selber behalten! Sie hatte sich entschieden, der Großmutter zu folgen, mochten die Kinder nun ohne sie den Brei auslöffeln, den sie sich angerichtet hatten. Die Krippe steht noch auf ihrem Platz, vom Lärchenbalken hängt noch die Kette herunter, Pilze wuchern aus dem Schimmel, Strohbüschel vermodern unter der Scheunenbrücke, durchs leere Fenster zieht es, nie mehr wird die rotscheckige Pirha den Ackerrain abgrasen. Boštjan läßt die Stalltür offen, damit sich der noch immer emporkommende Kuhgeruch verflüchtigt; er schiebt den Holzriegel aus dem Scheunentor, wirft einen Blick in die Tenne, schaut in das Spinnwebengedämmer, es erzittert im Licht, das streifenförmig durch die Ritzen der Planken fällt, auf der Suche nach einem Nachtlager. Der Fuchs dringt nun sogar bei Tag in den Hühnerstall ein und trifft dort nur noch auf Gestank. Aus der Ferne schauen sie sich an, was noch geblieben ist, Boštjan betritt keine der erloschenen und verlassenen Schwellen mehr, um sich nicht durch ihre tödlichen Keime anzustecken und sich von ihnen nicht ins längst Vergangene hineinziehen zu lassen. Vorbei ist die Zeit, als das Fahrrad des Vaters den Jahresablauf bestimmte.
    Boštjan ist der einzige, der sich noch anschickt, der Habgier des Waldes Einhalt zu gebieten und das Haus vor den Schreck
gespenstern zu schützen; kaum aber entfernt er sich einen Schritt, schon streckt der Wald seine Krallen nach dem Hofplatz aus, schon wird das Gebäude wieder vom Wetter gebeutelt, schon treiben sich die bösen Geister um die Ecken, schon nagt der Staub am Haus. Ein schlechter Heiler der Vater, ein schlechter Schirmer der Sohn! Boštjan ist selber schutzbedürftig, und doch muß er das Haus davor bewahren, in die Hände der Zermalmer zu geraten, muß er dem Haus vergelten, was es an Gutem für ihn getan hat: Es hat ihn beschützt, solange es konnte, daher ist es nur natürlich, daß er es nun beschützt, solange er kann. Beschützt hat es ihn vor Ugav und den Seinen, bitter für ihn, daß es weder die Mutter noch die Großmutter zu retten vermochte und beide dahingerafft wurden. Boštjan weiß, daß er verlieren wird und daß der Verfall fortschreitet, seine Hände sind zu schwach, zu kindlich, um ihn aufzuhalten. Es besteht kein Zweifel, das Land fällt der Wildnis anheim, das üppige Wachstum der Pflanzen gewinnt die Macht über das Haus. Auf ähnliche Weise nimmt unten am Eck, wo Linas weicher Steig in den Schotterweg mündet, der Fichtenwald Besitz vom Erdäpfelacker, umsonst der Zaun, der ihn umgrenzt, umsonst die Wachsamkeit der ganzen Familie. Der Wald schert sich nicht um die Sperren, er überspringt sie, hüpft über die Zäune und überwindet allmählich auch die Gräben. Nicht anders ergeht es Boštjans Elternhaus, bei dem es keiner Zäune und Sperren bedarf, da es von einem natürlichen Kessel umgeben ist. Die Wiese vor dem Haus hält sich in ihrem Trotz gerade noch, seit das Haus leer steht, doch schon längst ist die Anhöhe ober dem Haus erlegen, wo sich einst die Vorfahren um die Nachlese der Ernte gebückt hatten, neben der Rutsche, auf der sie zu Wiesenzeiten das Heu eingebracht und wo sie von
den Waldzeiten an Holz und Viehstreu hergerichtet hatten. Der Hügel kann noch heute nicht die Wiese verleugnen, ihre Zeichen sind noch sichtbar, der Wald konnte noch nicht alle Wiesenbräuche beseitigen, die ursprünglichen Gräser und einheimischen Blumen noch nicht im Keim ersticken, das Gehölz noch nicht ganz nach seinem Belieben anordnen, die Wiese ist ihm noch überall anzumerken. In dem steilen Gelände gibt es einige Wege und Pfade, erfüllt von stöhnender Einsamkeit, nur selten ist hier jemand unterwegs. Und auch das kleine Plateau liegt dort oben, ein ausgebuchteter Teil

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