Bote des Todes
nach rechts, um hier herauszukommen. Trotzdem landete sie wieder auf dem Friedhof und stieß im trüben Licht mit jemandem zusammen. Sie schrie auf.
„Moira, ich bins!“
Danny. Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie leicht, damit sie zu Sinnen kam. „Warum bist du so schnell vorgegangen? Wir rennen die ganze Zeit im Kreis und suchen dich.“
Plötzlich wurde die Beleuchtung eingeschaltet. Der Tod kam in die Kulisse und entpuppte sich als Schüler mit zerzaustem Haar, nachdem er Maske und Kapuze abgenommen hatte. Dicht hinter ihm war Dirk. „Moira, das tut mir Leid. Ist alles in Ordnung? Du bist so schnell vorgestürmt. Was hat dich denn so sehr erschreckt?“
Die hellen Scheinwerfer zeigten, dass die Grabsteine aus Schaumstoff waren und es sich bei den Todesfeen um schwarz gekleidete Puppen handelte, die an Drähten durch den Raum gezogen wurden.
Michael und Sally kamen durch die Drehtür hinter ihr, Patrick und Josh stürmten durch den vorderen Durchgang.
Sie starrte den Tod an. „Er hat mich mit einem Messer bedroht!“
„Adam?“ Dirk sah den Jungen wütend und verständnislos an.
„Ich habe niemanden bedroht“, erwiderte der Junge und sah Moira ernst an. „Ehrlich. Ich habe nur die Sense, und die ist aus Plastik. Hier, sehen Sie.“ Er berührte die Klinge, die sofort nachgab. „Ich habe kein Messer.“
„Jemand hat mich mit einem richtigen Messer bedroht“, sagte sie halblaut.
Sally kam zu ihr und legte die Arme um sie. „Moira, es tut mir Leid. Wir hätten zusammenbleiben sollen. Aber keiner der Angestellten trägt eine echte Waffe bei sich.“
Moira bemerkte, dass die anderen sie anstarrten. Sie würde sie niemals davon überzeugen können, dass ihre Fantasie nicht mit ihr durchgegangen war.
Michael kam zu ihr und legte einen Arm um sie. „Vielleicht ist ein Geisterhaus so kurz nach dem Tod eines guten Freundes keine so gute Idee“, sagte er und strich ihr übers Haar.
Sie ließ sich in seine Arme sinken und sah Sally und Danny, ihren Bruder und Josh an. Sie war ziemlich sicher, dass keiner von Dirks Angestellten sie angegriffen hatte. Und einer aus dieser Runde wusste, dass sie nicht log.
„Iss binn beal ’na thost“
, sagte sie leise. Es waren die gälischen Worte, die der Angreifer gesprochen hatte. „Ein stummer Mund ist wohlklingend.“
„Ein stummer Mund ist wohlklingend“, wiederholte Michael fragend, während er sie fester an sich drückte, um ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben. Sein Tonfall wirkte auf sie aber so, als würde er allem Vertrauen zum Trotz, das er in sie hatte, nicht folgen können. „Was ist das, Moira?“
„Ein irisches Sprichwort“, erklärte Patrick und sah seine Schwester verwundert an. „Unsere Großmutter hat es oft benutzt, als wir noch klein waren.“
„Wenn meine Eltern das sagten, war es mit einem ‚halt die Klappe‘ gleichbedeutend“, meinte Sally.
„Liebling, das ist keine richtige Drohung“, versicherte Michael leise. „Es hört sich sogar gut an. Ein irisches Sprichwort. Das gefällt mir.“
„Dirk“, sagte Sally. „Ich glaube, wir sollten jetzt gehen.“
„Ja, natürlich. Adam, es ist alles in Ordnung. Mach ein paar Minuten Pause, wir lassen im Moment keinen ins Haus.“
„Danke.“ Adam zögerte. Dann näherte er sich Moira, blieb aber auf respektvollem Abstand. „Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen Angst gemacht habe.“
„Das hast du nicht“, sagte sie.
Er nickte nachdenklich, bevor er wegging. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was er seinen Freunden erzählen würde, wenn sie sich irgendwann mal ihre Sendung ansahen. „Mann, die Frau habe ich mal getroffen. Ich kann euch sagen, die ist total abgedreht.“
„Kommt hier lang“, sagte Dirk. „Ich bringe euch raus.“
Sie folgten ihm. Bei voller Beleuchtung fiel Moira auf, wie klein und unglaublich unrealistisch dieser Friedhof eigentlich war. Dirk führte sie in einen Souvenirladen, von dem aus sie auf die vordere Terrasse des Hauses gelangen konnten.
„Es tut mir sehr Leid, ich hätte darauf achten müssen, dass ihr alle zusammenbleibt“, entschuldigte sich Dirk.
Sally legte ihm eine Hand auf den Arm. „Mach dir keine Vorwürfe. Moira reagiert normalerweise nicht so, aber in letzter Zeit war sie großem Stress ausgesetzt.“
„Ich war keinem großen Stress ausgesetzt“, widersprach sie, obwohl sie wusste, dass es eine Lüge war.
„Du kannst nicht abstreiten, dass dir Seamus’ Tod nahe gegangen ist“, sagte Sally leise.
Moira
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