Bote des Todes
Messe grüßten die Kelly-Kinder vor der Kirche brav die alten Freunde ihrer Eltern, und Moira machte alle mit Michael bekannt.
Danny hatte genug eigene Freunde, denen er sich widmen musste.
Moira stand bei Michael. Sie spürte die Wärme dieser kleinen Gemeinde inmitten der großen Stadt und schloss für einen Moment die Augen. Sie liebte New York, aber Boston bedeutete ihr genauso viel. Sie liebte auch die Schrullen ihrer irischen Verwandten und Freunde. Alle waren so begeistert darüber, dass Jacob Brolin in die Stadt kam. Sie sprachen darüber, als würde sich eine Auferstehung ereignen.
„Er kommt aus Belfast, richtig?“ sagte Michael.
„Wer?“
„Dein alter Freund. Danny. Er kommt aus Belfast.“
„Er ist da geboren, ja. Ich weiß nicht, was er gemacht hat, als er noch ganz jung war. Er ist bei einem Onkel aufgewachsen, der viel auf Reisen war. Er war oft hier, und ich glaube, er hat auch einige Zeit in Dublin verbracht.“
„Ich habe gehört, dass er in seiner Jugend ein ziemlich wilder Kerl gewesen sein soll. IRA?“
„Ob Danny zur IRA gehört hat? Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte Moira und sah, dass der Mann, über den sie sich unterhielten, zu ihnen kam.
„Und, Michael, wie hast du die Zeit mit der ganzen Familie in der Kirche überlebt?“ fragte Danny freundlich.
„Es war sehr nett“, sagte Michael.
„Ja. Vor allem, dass jeder für Jacob Brolin gebetet hat.“
„Muss ein wichtiger Mann sein. Moira, du solltest ihn anrufen und fragen, ob du ihn in deiner Sendung interviewen kannst.“
„Du bist doch der Locations Manager, richtig?“ warf Danny ein. „Hast du denn nicht versucht, ihn zu erreichen?“
Michael zuckte mit den Schultern und ignorierte den unterschwelligen Vorwurf in der Frage.
„Ich bin nicht Moira Kelly. Ich glaube, eine solche Anfrage sollte besser von ihr persönlich kommen. Ich kümmere mich um die Motive, sie um die Gäste. Aber ihn für die Sendung zu filmen, das wäre schon ein richtiger Coup, nicht wahr, Moira?“
Sie hörte Michael zu, entdeckte in einer Gruppe in ihrer Nähe Seamus. „Entschuldigt mich einen Augenblick, da ist Seamus. Mit dem habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen.“
„Dann kommen wir mit und begrüßen ihn“, sagte Danny und folgte Moira.
Die Gruppe um Seamus verabschiedete sich gerade, aber er nahm es nicht wahr, da seine Aufmerksamkeit den dreien galt, die sich ihm näherten.
„Seamus, da bist du ja“, sagte Moira. „Warum bist du gestern Abend einfach davongelaufen?“
Er sah nicht sie an, sondern die beiden Männer.
„Seamus?“
Plötzlich wurde er auf sie aufmerksam. „Ach, Moira, ich bin einfach nur allein nach Hause gegangen.“
„Du hast dich so seltsam verhalten.“
„Ich bin Ire, stimmts? Wir erzählen ständig Märchen. Moira Kelly, ich sehe dich nachher im Pub. Bis dann.“
Er wandte sich um und ging.
„Was ist bloß mit ihm los?“ Moira sprach mehr zu sich selbst als zu Danny oder Michael.
„Er ist Ire, wie er ja selbst gesagt hat. Du kannst dir nicht über jeden Freund deines Vaters Gedanken machen. Der alte Knochen ist exzentrisch. Belass es dabei, Moira“, sagte Michael.
Sie spürte Dannys Hand auf ihrem Arm, als er ihr zuflüsterte: „Ausnahmsweise muss ich ihm zustimmen. Belass es dabei, Moira.“
9. KAPITEL
„K leine Augen, wie?“ flüsterte Moira Danny zu.
Es schien unmöglich, ihn abzuschütteln.
Sie hatten entschieden, am Nachmittag in den Straßen von Boston zu filmen. Moira wollte nach wie vor die Sequenz drehen, in der ihre Großmutter alte Geschichten erzählte. Doch nach einer Besprechung mit Jeff und Michael waren sie zu dem Schluss gekommen, dass sie auch Ansichten von Boston benötigten, also sollte beides miteinander kombiniert werden. Michael hatte bereits eine Dreherlaubnis für Quincy Market und das Gebiet von Faneuil Hill eingeholt, sodass die Crew in den historischen Bezirk gefahren war, in dem mittlerweile Geschäfte dominierten, deren Stil dem aktuellen Geschmack entsprach.
Ihre Mutter, immer darauf bedacht, dass alles funktionierte, hatte dafür gesorgt, dass Freunde von ihr zusammen mit ihren Kindern anwesend waren. Moira hatte ihre Großmutter auf einer Bank Platz nehmen lassen, auf der sie von einer Schar Kinder umgeben war.
Es war eine alte Weisheit, die aber immer noch Gültigkeit hatte: Es ist nie einfach, Kinder und Tiere zu filmen. Tiere hatte sie gar keine haben wollen, aber es reichte auch so, da die Kinder sich von jedem Hund ablenken ließen,
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