Bote ins Jenseits
Aber wenn Sie mir einen Mord in die Schuhe schieben wollen, nur weil ich jemanden nicht leiden konnte, ist mir das nicht egal. Das geht eindeutig zu weit. Ich müsste doch schön bescheuert sein, überhaupt zuzugeben, ihn nicht gemocht zu haben, wenn ich wirklich das getan hätte, was Sie mir unterstellen«, redete Musiol sich in Fahrt.
»Ach, wissen Sie, es wäre wirklich nicht das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Man nennt das Flucht nach vorn. Mit dem Argument kommen Sie nicht von meiner Liste runter! Sie waren einer der wenigen Menschen, mit denen sich Herr Kamp in einer Art offenem Konflikt befand. Sie haben erwiesenermaßen Zugang zu und Umgang mit Drogen. Sie haben die Möglichkeit, das Firmengebäude zu jeder Tages- und Nachtzeit zu betreten. Sie verhalten sich, seit ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, auffällig und sind damit mein ganz klarer, weil einziger, Hauptverdächtiger!«
Der letzte Satz war ziemlich dick aufgetragen und gefiel Gregor daher ausgesprochen gut, zumal die wachsende Verzweiflung im Gesicht des Mannes inspirierend auf ihn wirkte. Eigentlich waren Musiols Argumente durchaus überzeugend, und er brachte sie wirklich glaubhaft rüber. Aber es machte ihm einen Heidenspaß, nur so, aus Jux und Dollerei, auf den Busch zu klopfen. Seine Laune hatte sich bereits deutlich gebessert.
»Wenn Sie so ein intelligentes Kerlchen sind, wie Sie sagen, müssen Sie doch zugeben, dass diese Indizien meine Theorie bekräftigen?«
»Ich bin intelligent, ob Sie das glauben oder nicht. Mein IQ wurde gemessen und liegt im Hochbegabtenbereich. Dass Ihnen meine direkte Art nicht gefällt, würde ich persönliches Pech nennen. Ich mag Sie auch nicht, aber ich renne deswegen nicht gleich zur Polizei und scheiß Sie wegen irgendwas an. Dass ich Kamp nicht mochte, bleibt unbestritten, aber ich kenne noch einige andere, übrigens ebenfalls Arbeitskollegen von ihm und mir, die ihn auch nicht leiden konnten, größtenteils aus den gleichen Gründen wie ich. Von denen wusste er es nur nicht, weil sie zu feige waren, mit offenem Visier zu kämpfen. Diese Personen, wie alle anderen Mitarbeiter auch, waren ebenfalls jederzeit zutrittsberechtigt zu unserem Firmengebäude.«
Musiol atmete tief durch, setzte sein Kölsch an und trank es in einem Zug leer. »Und dann die Sache mit den Drogen. Was für Drogen hatte er überhaupt genommen?«
Gregor schüttelte den Kopf. »Weiß ich leider selbst nicht. Nicht mal Frau Kamp hat man das mitgeteilt.«
Musiol überlegte kurz und zuckte schließlich mit den Schultern. »Ist im Prinzip auch egal. Um ihn umzubringen, muss es schon was richtig Hartes gewesen sein, Heroin oder Crack oder so was. Ich rauche Gras, und das bringt einen nicht um! Da müsste man das Zeug schon pfundweise in sich reinstopfen. Mit anderen Drogen hatte ich nie zu tun. Wenn mich das zum Hauptverdächtigen machen soll, gäbe es da noch jemanden aus seinem Umfeld, an den ich den Ball locker weiterspielen kann. Ich wette, dem sind Sie noch nicht auf die Pelle gerückt.«
»Entschuldigung, was haben Sie da gerade gesagt?«
»Dass ich Gras rauche, und dass es einen nicht um…«
»Nein, nein. Das habe ich schon verstanden. Aber der letzte Teil, der andere aus seinem Umfeld, wie haben Sie das gemeint?«
Musiol grummelte abfällig und nahm mit einiger Theatralik seine Ellenbogen vom Tisch, um sich kerzengerade in seinem Stuhl aufzurichten.
»Ja klar! War ja wohl nicht anders zu erwarten. Mit dem verstand Kamp sich ja auch viel besser. Wenn der sich ‘ne Tüte dreht, ist das was ganz anderes, als wenn so ein abgeschmackter Asozialer wie dieser widerliche Andreas Musiol es macht! Wollen Sie diesen Fall eigentlich wirklich aufklären, oder wollen Sie nur die gemäß Mehrheitsbeschluss unsympathischste Person in die Pfanne hauen? Eine Art Wunschergebnis herbeiführen?«
Gregor kniff die Augen zusammen und hob die Hände.
»Einen Moment, ganz ruhig jetzt! Von wem haben Sie gerade gesprochen?«
Musiol nannte den Namen. Der Bote blinzelte und trommelte mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf dem Tisch.
»Sie wollen mir erzählen, dass er ebenfalls Drogen konsumiert? Wie kommen Sie darauf?«
Mit einer weiteren theatralischen Geste hob Musiol die Arme und ließ seinen Blick durch das »Cave« kreisen.
»Weil er genau hier, in diesen heiligen Hallen, zu mir kam und mich fragte, ob ich ihm nicht ein bisschen Gras besorgen könnte. Ist noch gar nicht so lange her. Hat mir ‘nen Hunderter in die Hand
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