Bote ins Jenseits
Nebennieren! So wie er das sah, würden die armen Schweine, die diesen Abend in seiner Gesellschaft verbringen durften – wie lange es auch immer dauern würde – schon sehen, was sie davon hatten, dass sie ein Faible für diese Form akustischen Abfalls hatten.
Er ließ die Tür hinter sich zufallen und ging durch einen etwa fünfzehn Meter langen Gang. Nachdem er zwei Stufen erklommen hatte, stand er vor dem Tresen, mitten in der Kneipe. Die Musik peitschte in seine Ohren, und ein Nebel aus blauem Dunst, vermengt mit den Gerüchen von Eau de Toilette und verschüttetem Bier, stürzte auf ihn ein.
Einige Gäste des bereits gut gefüllten »Cave« unterbrachen ihre Gespräche und sahen kurz zu dem Neuankömmling hinüber. Sie durchstöberten ihre Erinnerungen, ob dieses Gesicht dort bereits abgelegt war. Auch wenn dies nicht der Fall war, war sein Eintreffen offenkundig nichts Besonderes. Sein derzeitiges Erscheinungsbild war grobschlächtig und ungepflegt, eine Beschreibung, die auch auf andere Gäste des »Cave« zutraf. Interessanter wäre es geworden, wenn er als schmalbrüstiger Schönling in Anzug und Krawatte in diese Gesellschaft geplatzt wäre.
Der Mangel an erregter Aufmerksamkeit stellte ein weiteres Ärgernis auf Gregors Komm-mir-lieber-nicht-dumm-Liste dar. Er blieb für einige Minuten direkt im Eingang stehen, zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an und ließ seinen Blick schweifen.
Decke und Wände waren mit Postern von Metal-Bands verziert. Vereinzelt entdeckte er sogar ein paar echte Gitarren. Dort, wo keine Poster oder Gitarren hingen, waren große Spiegel und kleine grüne Täfelchen installiert, auf denen der Besitzer des »Cave« die Getränkekarte verewigt hatte.
Das Publikum war gemischt, Männer und Frauen gleichermaßen, in einer Altersspanne von Anfang zwanzig bis Ende dreißig – so zumindest schätzte der Bote. Die meisten trugen T-Shirts mit dummen Sprüchen, Logos und Bildern, die Gregor samt und sonders nichts sagten. Einige Männer trugen Jeanskutten, die mit jeder Menge Aufnäher übersät waren.
Nur Musiol war nirgends zu sehen!
Der Einzige, der dem Boten nähere Aufmerksamkeit schenkte, war der – nach optischen Maßstäben – Ex-Sträfling hinter der Theke. Er übertraf Gregor an körperlicher Ausdehnung und wusste offenbar, wie man ein furchteinflößendes Gesicht macht. Das keltische Tattoo auf seinem kahl rasierten Schädel sah nicht mal schlecht aus, wie Gregor sich eingestehen musste. Angst schien er keine zu kennen. Er erwiderte den Blick des Boten gelassen und hielt ihm, ohne zu blinzeln, stand.
Gregor ging langsam zum Tresen, schob zwei Gäste beiseite und nahm den neu geschaffenen Platz mit seiner ganzen Breite ein. Die verständnislosen und ärgerlichen Kommentare der beiden zur Seite geschobenen Gäste erstickte er mit zwei kurzen Seitenblicken im Keim und sah, provokant lächelnd, zum Barkeeper.
»Wat willste trinken?«, fragte der, betont uncharmant.
Gregor sah dem Mann für ein paar Sekunden schweigend in die Augen.
»Ein großes, sauberes Glas kühles Wasser, wenn es keine Umstände macht.«
Der Barkeeper verdrehte genervt die Augen. »Beim Italiener um die Ecke steht immer ein Blechnapf mit Wasser für seine blöden Köter im Hinterhof. Wennde Wasser saufen willst, geh dahin.«
Begleitet von Gitarrengeschrammel sang ein Mann von Nikotin, Valium, Kukident, Marihuana, Ecstasy und Alkohol.
»Das würde dir gefallen, oder? Pass auf, du Vogel, ich bin bereit, die miese Luft hier drinnen, den Mist, der da aus deinen Boxen tropft, und deine Hackfresse zu ertragen, nur um den Inhalt deiner Kasse um den Gegenwert eines Glases Wasser zu bereichern. Sei jetzt nicht so dämlich, mir zu sagen, dass ich mich verziehen soll.«
Die Augen des Barkeepers weiteten sich vor Entsetzen. »Der Mist, der aus meinen Boxen tropft? Das sind die verdammten Queens! Die kannste nicht einfach Mist nennen!«
Ein interessanter Aspekt. Der Mann hatte kein Problem damit, eine Hackfresse zu haben. Wahrscheinlich hätte Gregor sogar ein paar unzweideutig schlüpfrige Bemerkungen über dessen Mutter machen können, ohne sich in Gefahr zu begeben. Aber die Queens zu beleidigen, wer oder was immer das sein mochte, wurde ihm angekreidet. Gregor zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Für mich klingt es beschissen. Krieg ich jetzt mein Wasser, oder was?«
Der Mann machte sich kopfschüttelnd daran, ein Glas mit Wasser zu füllen, und knallte es, immer noch fassungslos
Weitere Kostenlose Bücher