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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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sogar, Diabetiker zu sein. Über all die Jahre war es zu einem Teil von ihm geworden.
    Nie wieder bei Sonnenschein mit offenem Verdeck und aufgedrehten Boxen durch die Innenstadt cruisen. Nie wieder als kreativer Vordenker seiner Abteilung im Mittelpunkt stehen und deren Geschicke lenken. Nie wieder traute Zweisamkeit, kein Austausch von Zärtlichkeiten und Körperflüssigkeiten, weder mit Marita noch mit irgendeiner anderen Frau. All das hatte ihm jemand genommen, und er musste einfach wissen, wer. Diese künstliche Warterei kam ihm jetzt höchst überflüssig vor. Es konnte eigentlich nur dazu führen, dass er verrückt wurde. Das versprachen die längsten zwei Wochen seines Lebens zu werden. Kamp seufzte, setzte sich auf, nahm seine Uhr vom Nachttisch… und ihm wurde schwindelig. Gerade war es doch noch zehn Uhr? Jetzt sagten ihm die Zeiger, dass es acht Uhr war. Seine Augen fokussierten die Datumsanzeige, und Kamp ließ die Uhr fallen, als wäre sie glühend heiß. Das konnte nicht sein! Er hob sie wieder auf. Zwölfter Februar. Wenn diese Uhr noch so funktionierte, wie man es von ihr erwarten konnte, waren zwei Tage vergangen. Kamp zog sich eilig an und verließ die Wohnung.

Ungeduld
     

     
     
     
    Ein Stück die Straße herunter befand sich eine Bushaltestelle. Der Bote Luc hatte während der Fahrt zu Kamps neuem Domizil mehrfach auf die hervorragenden öffentlichen Verkehrsmittel in Tyndall hingewiesen. Alle zehn Minuten fuhr ein Bus, der einen zu jedem Ziel brachte, das man sich wünschte.
    Kamp brauchte nicht lange zu warten. Ein Bus, ähnlich dem, mit dem er… wann auch immer hierher gekommen war, nur um einiges größer, kam, kurz nachdem er an der Haltestelle eingetroffen war, um die Ecke gefahren. Am Steuer saß zu seiner Überraschung kein Bote, sondern ein Mann mit einem dreckigen T-Shirt, dreckigen Jeans, schweren, dreckigen Arbeitsschuhen und einem blitzblank polierten gelben Helm – mit einem FC-Aufkleber! ‘ne kölsche Jung, der eine neue Beschäftigung gefunden hatte.
    Reflexartig verfiel Kamp in den Straßenslang, mit dem man sich in Köln als Einheimischer zu erkennen gab, um es leichter zu haben. Eine Art auf Dialekt basierendes Statussymbol.
    »Hallo, Kollege! Hör mal, ich muss dringend zu meinem Beratungsboten! Sein Name ist Toni. Mehr weiß ich leider nicht, aber die haben mir erzählt, das würde als Beschreibung reichen.«
    Der Mann nickte. »Wohl frisch eingetroffen, hä? Setz dich, Junge.«
    Sie fuhren los. Unterwegs hielt der Bus noch viermal, um Passagiere aufzunehmen oder herauszulassen. Nach kurzer Zeit hielt er erneut, und der Fahrer drehte sich zu Kamp um.
    »So, Freund, wir sind da. Das rote Gebäude dort drüben.«
    Er zeigte grob in die Richtung, aber das war überflüssig. Es war weit und breit das einzige rote Gebäude und damit nicht zu verfehlen. Kamp bedankte sich und verließ den Bus.
    Er öffnete die Eingangstür, ohne sich mit Formalitäten wie Anklopfen oder Klingeln aufzuhalten, und gelangte in einen kleinen Gang mit fünf Türen. Alle Türen waren mit einer Beschriftung versehen.
    Gleich auf der ersten Tür zu seiner Linken las er den Namen »Toni«. Erneut schenkte er sich das Anklopfen, drückte die Klinke herunter und betrat den Raum. Ohne eine Reaktion auf sein unhöfliches Verhalten abzuwarten, setzte er sich an die Stirnseite des Schreibtischs eines verdutzt dreinblickenden Boten.
    »Ich muss zurück zur Anmeldung! Wie komme ich dorthin?«
    Der Bote bedachte ihn mit einem unerschütterlichen, prüfenden Blick.
    »Dir auch einen guten Tag. Ich bin Toni. Hat man dir gesagt, dass ich für dich zuständig bin?«
    Kamp nickte ungeduldig. »Kannst du mir helfen, dort hinzukommen?«
    »Natürlich kann ich das. Es ist übrigens nicht zu übersehen, dass du sehr aufgeregt bist. Damit haben wir sogar was gemeinsam, weil ich ein großer Fan von Umgangsformen bin, wenn du verstehst. Was hältst du davon, mir erst mal deinen Namen zu verraten und dich etwas zu beruhigen? Ich atme auch mal kurz durch, und dann schauen wir, wie ich dir helfen kann.«
    »Thore Kamp. Thore mit H.«
    Toni gab den Namen ein, las die Geschichte zu dem Namen und nickte.
    »In Ordnung. Warum musst du so dringend zur Anmeldung? Du bist doch gerade erst zwei Tage hier«, sagte er ganz ruhig.
    Kamp richtete sich auf. Es stimmte also, er war bereits zwei Tage hier. Er hatte geschlafen, ohne geschlafen zu haben. Er hätte zu gern gewusst, wie das sein konnte, zog es aber vor, dem Boten nichts

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