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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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davon zu erzählen, um seinem Vorhaben nicht den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    »Ich muss zu Robard, ein Oberbote, mit dem ich mich dort unterhalten habe. Er hat gesagt, er könnte mir helfen herauszufinden, wer mich umgebracht hat. Er bat mich, vorher zwei Wochen hier zu verbringen, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Seit ich hier bin, ist die Ungewissheit aber immer schlimmer geworden. Ich bekomme den Gedanken nicht aus meinem Kopf, dass es jemanden gibt, der meinen Tod wollte. Ich muss das abschließen, vorher ist an so etwas wie Ruhe nicht zu denken. Jeder weitere Tag, den ich auf diese Weise verbringen muss, ist einer zu viel!«
    Toni nickte langsam. »Ich verstehe. Ich verstehe nur zu gut, glaub mir. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum du unbedingt zu diesem Robard möchtest. Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet er dir dabei helfen kann?«
    Kamp sah ihn verständnislos an. Er fand die Frage dämlich und hatte außerdem mit so etwas wie Widerstand gerechnet.
    »Na, weil er es gesagt hat!«
    Toni sah auf seinen Bildschirm und nickte erneut. »Er hat dir gesagt, du müsstest zu ihm kommen, damit dir geholfen wird? Und er hat verlangt, dass du vorher zwei Wochen hier in Tyndall verbringst?«
    Kamp befürchtete, dass Tonis Verständnis womöglich nur geheuchelt war, und ging vorsichtshalber erneut in die Offensive.
    »Na ja, verlangt hat er es nicht gerade. Eher mit Nachdruck empfohlen. Aber bitte, ich kann nicht mehr so lange warten. Mag ja sein, dass zwei Wochen, gemessen an der Ewigkeit, ein lächerlich kleiner Zeitraum sind, aber ich entdecke keinen Sinn im Warten. Es macht mich nur verrückt! Ich bin es nicht gewohnt, die Ruhe zu verlieren. Ich muss diesen Zustand beenden! Ich brauche Hilfe!«
    Toni hob beschwichtigend die Hände. »Jetzt beruhige dich doch endlich! Ich werde dir ja helfen.«
    Kamp sackte in sich zusammen.
    »Entschuldigung«, murmelte er mit gespielter Reue.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Toni schüttelte den Kopf und grummelte etwas, das Kamp nicht verstand. »Diese Boten in der Anmeldung nehmen sich gerne etwas wichtiger als sie sind. Hör mir genau zu, es ist überhaupt nicht notwendig, dass du mit deinem Anliegen zu Robard zurückkehrst. Seine Aufgabe war es, dir ganz unverbindlich aufzuzeigen, welche Möglichkeiten du hast. Nicht mehr, nicht weniger. Es geht ihn nichts an, wie du dich letztlich entscheidest. Und es liegt eindeutig nicht in seiner Kompetenz, dir Vorschriften zu machen, wie lange du wo zu warten hast, bevor du eine Entscheidung triffst. Sobald eine Seele aus der Anmeldung raus ist, sind andere Boten für sie zuständig. In deinem Fall bin ich das!«
    Kamp blinzelte. »Ich muss nicht zu ihm zurück?«
    Toni schüttelte den Kopf.
    »Und jetzt?«
    Der Bote lächelte ihn an. »Sag mir, was du willst.«
    Kamp senkte den Kopf, jedoch nicht in Resignation. Es hatte vielmehr etwas von einem Stier, kurz bevor er losrennt, um mit seinen Hörnern irgendetwas oder irgendjemanden zu Kleinholz zu verarbeiten. Gedanken und Eindrücke wuselten durch seinen Kopf, und es fiel ihm schwer, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen. Ein Gedanke jedoch, ein Bedürfnis, das seit seinem Gespräch mit Robard wie ein Fels in der Brandung aus der Unordnung herausragte, bekam jetzt endlich die Beachtung, die er verdiente.
    Kamp hob langsam den Kopf und sah dem Boten mit aufkeimender Hoffnung und Entschlossenheit fest in die Augen.
    »Rache!«
    »Junger Mann, dir kann geholfen werden.«

Gregor
     

     
     
    So kam es, dass Kamp wieder in einem Bus saß, diesmal auf dem Weg zu einem Boten namens Gregor, ganz in der Nähe seiner Wohnung. Toni erwies sich, trotz Kamps anfänglicher Flegelhaftigkeit, als ausgesprochen hilfsbereit, ohne ihm irgendwelche Auflagen zu machen oder zu versuchen, ihn von etwas zu überzeugen, was er gar nicht wollte.
    Wer sich mit einer schlechten Biografie ins Jenseits begab, musste damit rechnen, nicht so behandelt zu werden, wie es den meisten Seelen zustand. Jede Konfession hatte ihre eigenen Vorstellungen von Gut und Böse. Die Gläubigen unterwarfen sich, soweit sie es vermochten, den jeweiligen moralischen Verhaltensregeln, wie etwa in Kamps Fall den zehn Geboten.
    In der Vorstellung der Menschen hing alles davon ab, wie eng man sein Leben mit diesen Regeln verknüpfte. Wer zu weit vom Pfad der Tugend abwich, lief Gefahr, den Zutritt zum Paradies verwehrt zu bekommen. Wer sich jedoch daran hielt, erhöhte dementsprechend seine Chancen, niemals

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