Bote ins Jenseits
und seufzte herzhaft.
»Dann werde ich das mal wieder übernehmen. Also, wie gerade schon angedeutet, ihr benötigt keinen Schlaf mehr. Eure neuen Unterkünfte sind natürlich trotzdem mit Betten ausgestattet. Viele Seelen sehen in den Verhaltensweisen und Notwendigkeiten aus ihrem Leben auf Erden eine lieb gewonnene Angewohnheit, die sie einfach nicht aufgeben möchten. So ist es zum Beispiel auch mit der Nahrungsaufnahme. Ihr benötigt keine Speisen oder Getränke mehr. Hunger und Durst existieren hier nicht. Daher steht auch grundsätzlich keine Nahrung von Seiten der Verwaltung für euch bereit. Solltet ihr diesem irdischen Laster dennoch frönen wollen, könnt ihr jederzeit in einem der vielen Geschäfte alles käuflich erwerben, was euer Herz begehrt.«
Der Bote lächelte. Kamp merkte ihm sofort an, dass er diesen Vortrag nicht zum ersten Mal hielt, da er ihn wie auswendig gelernt aufsagte. Er blickte in die Runde und hob einen Arm.
»Äh, eine Frage. Wenn man sich etwas kaufen möchte, muss man es doch bestimmt auch bezahlen?«
»Selbstverständlich! Umsonst ist nur der Tod.«
Das breite Grinsen des Boten erstarb, als er bemerkte, dass er zur falschen Zeit den falschen Witz gerissen hatte.
»Selbstverständlich. Und womit?«, hakte Kamp trocken nach.
Der Bote nickte. »Ja, das ist ein weiterer Punkt. Vieles ist hier wie auf Erden, weil viele Seelen, wie ich bereits erwähnte, nicht von ihren alten Gewohnheiten loskommen. Selbst die, die mit dem festen Vorsatz, sich hier eine geruhsame Zeit machen zu wollen, herkommen, verlieren nach kurzer Zeit die Nerven, weil ihnen etwas fehlt. Sie brauchen eine Beschäftigung, zum Beispiel eine geregelte Arbeit. Ihr habt die Möglichkeit, euch einen Beruf zu erwählen. Es hat sich hier im Laufe der Zeit ein richtiger kleiner Wirtschaftskreislauf entwickelt. Die Beratungsboten sind euch da gerne behilflich. Das ist die einzige Möglichkeit, hier an Geld zu kommen. Und das werdet ihr, wie gesagt, brauchen, wenn ihr euch etwas Nutzloses anschaffen wollt.«
Kamp staunte nicht schlecht. Man konnte hier sogar arbeiten. Was für eine bizarre Vorstellung! Er kannte aus seinem bisherigen Leben einige Menschen, die es ganz eindeutig aus der Fassung bringen würde, wenn man ihnen erzählte, dass es nach dem Tod mit der Maloche weiterging.
Ihm gefiel, was er hörte. Zumindest die Möglichkeit bestand, und das hatte etwas Beruhigendes. Trotz allem würde er sich vorerst nicht um eine Beschäftigung bemühen. Er wollte die Zeit so nutzen, wie Robard es ihm empfohlen hatte. Zwei Wochen sollten reichen, um einiges klarer zu sehen.
Aus dem Kreis der anderen Seelen kamen noch weitere Fragen, die Kamp aber nicht interessierten. Der Bote verwies ohnehin in den meisten Fällen auf den Beratungsboten. Als schließlich keine Wortmeldungen mehr kamen, bat der Bote ihm zu folgen.
Sie gingen nach draußen und hielten auf etwas zu, das aussah wie eine Mischung aus einem Golfkarren und einem Bus. In diesem Moment fiel Kamp ein, was er vorhin vermisst hatte. Es fuhren keine Autos auf den Straßen! Es gab auch keinen Verkehrslärm. Dabei war er sicher, eine Ampel gesehen zu haben. Kamp schloss zum Boten auf.
»Autos gibt es hier wohl nicht?«
»Oh doch, die gibt es. Sie sind allerdings sehr kostspielig. Man muss sehr lange dafür arbeiten und ebenso lange auf allen anderen, wenn ich das mal so nennen darf, nutzlosen Luxus verzichten. Die Domestiken haben sich darauf verständigt, die Zahl der Automobile in den Straßen möglichst gering zu halten. Man will keine Zustände wie auf Erden.«
Kamp zog die Augenbrauen zusammen.
»Domestiken?«
»Ja. Boten des fünften und damit höchsten Ranges. Es sind seine engsten und mächtigsten Mitarbeiter, und es gibt nur sehr wenige von ihnen. Jeder Stadt auf der zweiten Ebene steht ein Domestik vor, so etwas wie ein Bürgermeister.«
Offensichtlich gab es noch sehr viel zu lernen und zu entdecken. Für den Moment hatte Kamp allerdings genug. Er brauchte dringend eine Pause, um alle Ereignisse der letzten Stunden, Tage oder was auch immer, sacken zu lassen und einfach mal wieder auf Durchzug zu schalten.
In seiner neuen Bleibe angekommen – Kamp war immer noch gerührt von dem Schal des 1. FC Köln, der an einer der Türen in seiner Etage hing – führte er als Erstes eine Bestandsaufnahme durch.
Er hatte ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer mit Bett und eine Art Küche. Er hatte, ein dicker Minuspunkt, kein Badezimmer. Fernseher gab es, in
Weitere Kostenlose Bücher