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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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einem seiner Kollegen äußern zu müssen. Man konnte es ihm kaum verdenken. Kamp glaubte nachvollziehen zu können, wie er gerade empfinden musste, und hatte Mitleid mit seinem Freund.
    Tibbe seufzte. »Okay, schießen Sie los. Aber wirklich nur den einen Namen!«
    »Versprochen. Also, was können Sie mir zu Herrn Andreas Musiol erzählen?«
    Tibbe zeigte keine Regung. Er sah dem Boten unverwandt ins Gesicht und atmete gleichmäßig durch den Mund.
    »Andreas?… Tja, Andreas. Arbeitet in unserer Controlling-Abteilung. Scheint mir sehr intelligent zu sein, allerdings nicht besonders ehrgeizig. Macht nur das, was unbedingt notwendig ist, wissen Sie.«
    Er unterbrach sich mit einem markerschütternden Niesen. »Entschuldigung. Ich weiß, dass er und Thore eigentlich kein richtiges Verhältnis zueinander hatten. Haben nur das Nötigste miteinander geredet und sich auch nicht gerade mit gegenseitigen Sympathiebekundungen vollgeschleimt. Aber da gibt es, glaube ich, im Leben jedes Menschen eine Vielzahl Personen, von denen man das behaupten kann. Ansonsten ist das ein ganz harmloser Kerl. Zumindest soweit ich es beurteilen kann.«
    Gregor nickte. »Haben Sie über die Arbeit hinaus Kontakt zu Herrn Musiol?«
    »Nein. Ich sehe ihn ab und an in einer bestimmten Kneipe, dem ›Cave‹. Das ist seine Stammkneipe. Manchmal gehe ich da auch hin. Die Musik ist gut, und mir gefällt der Laden irgendwie. Aber wir stehen dann nicht stundenlang zusammen und quatschen miteinander. Man grüßt sich, und das war es dann meistens auch.«
    »Verstehe. Wissen Sie etwas über den Drogenkonsum von Herrn Musiol?«
    Müdes Erstaunen schaffte es für den Bruchteil einer Sekunde, sich in die auf qualvolles Leiden gebürsteten Gesichtszüge von Tibbe zu mischen.
    »Äh… nein. Davon weiß ich nichts. Ich glaube, das ist auch nicht gerade eine Information, mit der man hausieren geht. Wie kommen Sie darauf?«
    Gregor holte tief Luft. »Es gibt da etwas, das ich Ihnen gestern nicht erzählt habe. Herr Kamp wurde obduziert. Man hat festgestellt, dass er Betäubungsmittel im Körper hatte. Wir vermuten, dass es da einen Zusammenhang mit seinem Tod gibt.«
    Tiefe, aufrichtige Bestürzung schaffte es, Tibbes Zwangsjacke grippaler Apathie zu sprengen und abzustreifen. Sein Mund stand ebenso weit offen wie seine geröteten Augen, und er vergaß für einige Sekunden zu atmen. Ein Niesreiz beendete den Schockzustand.
    »Entschuldigung. Das… Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er schüttelte den Kopf. »Thore nahm keine Drogen. Er hat ja nicht mal geraucht und so gut wie keinen Alkohol getrunken. Er hatte nur Verachtung für die übrig, die es taten.«
    Tibbe setzte sich auf, lehnte sich auf seine Oberschenkel und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen, blonden Haare. Schließlich sah er eine Weile aus dem Fenster. Gregor beobachtete ihn stumm.
    »Haben die ihn also tatsächlich obduziert«, murmelte Tibbe zu sich selbst.
    »Wie meinen Sie?«
    »Hä?… Ach nichts. Ich hätte nur nicht gedacht, dass sie ihn aufschneiden würden. Wo man doch von einem Unfall ausgeht. So wie die Dinge lagen, deutete doch eigentlich alles auf eine Überdosis Insulin hin… von meinem Standpunkt als Laie aus natürlich. Dass er an einer ganz anderen Überdosis gestorben ist, hätte ich nie im Leben für möglich gehalten.«
    Kamp bemerkte nicht, dass Gregor ihn ansah. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Das ganze Gerede über ihn und seinen Tod, ohne dass er in irgendeiner Form eingreifen konnte, nahm ihn ziemlich mit.
    »Die eigentliche Todesursache war das gebrochene Genick. Der Insulin- und Drogencocktail hat den Weg dorthin lediglich geebnet. Aufgeschnitten haben sie ihn, weil es nicht normal ist, einen einunddreißigjährigen Mann tot in seinem Büro zu finden. Diabetes ist zwar eine anerkannte, ernste Krankheit, aber sie reicht nicht aus, um den Staatsanwalt sagen zu lassen: ›Seht ihr! Daran lag es. Ein Zuckerkranker. In die Kiste mit ihm, und dann legt mir den nächsten Fall vor.‹«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Tibbe nachdenklich. »Was ich aber immer noch nicht verstehe, warum beharrt seine Schwester weiter darauf, dass er ermordet wurde? Der Genickbruch war doch wohl eindeutig ein Unfall oder nicht? Er wird kaum so lange mit dem Kopf zuerst auf den Schreibtisch gesprungen sein, bis es endlich geknackt hat.«
    Gregor knetete seine Unterlippe. »Sie vergessen die Drogen in seinem Körper. Die müssen da irgendwie hingekommen sein. Seine

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