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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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verstummte.
    Gregor ließ Kamp ganz langsam und vorsichtig von seinem Schoß gleiten. Musiol geriet angesichts des kleinen Sieges über seine Ex-Freundin in einen verhängnisvollen Rausch, der ihm trügerisch Fähigkeiten vorgaukelte, welche er nicht besaß – zumindest nicht, so weit es seinen ungebetenen Gast betraf.
    »Das, was Sie mir da unterstellen wollen, entbehrt jeglicher Grundlage. Ich werde mir das nicht länger bieten lassen. Sie dürfen sich als rausgeschmissen betrachten! Verstanden?«
    Gregor hielt dem wütenden Blick Musiols ungerührt stand. Er langte nach oben, packte ihn seinerseits am Kragen und stand ganz langsam auf. Kamp wuselte bellend um die Füße der beiden Streithähne. Nur Gregor konnte verstehen, was er sagte, und er musste sich zusammenreißen, um nicht zu grinsen und damit seinen Auftritt zu versauen.
    Als Gregor sich zu voller Größe aufgerichtet hatte, mit der er Musiol um etwa fünfzehn Zentimeter übertraf, baumelte Musiol, den er auf Höhe seines Gesichts immer noch scheinbar mühelos am Kragen hielt, mit den Füßen in der Luft. Sein Gesicht enthielt die verspätete Erkenntnis, sich mit dem Falschen angelegt zu haben.
    »Lassen Sie mich gefälligst runter… bitte!«
    »Du hörst mir jetzt gut zu, kleiner Mann. Ich bin heute etwas unausgeschlafen und infolgedessen leicht gereizt. Um die Situation hier nicht noch weiter eskalieren zu lassen, werde ich jetzt wirklich gehen. Ich werde aber schon sehr bald wiederkommen, denn du hast mir noch nicht mal die Hälfte von dem erzählt, was ich gerne hören möchte, und wenn du nicht verdächtig bist, habe ich den falschen Beruf gewählt. Unsere Unterhaltung hat noch nicht mal angefangen! Da ich eine gesittete Atmosphäre bevorzuge, solltest du an einem Weg arbeiten, deine Aggressionen unter Kontrolle zu bringen, denn wenn du das nächste Mal wieder nur mit Wutausbrüchen auf meine Fragen reagierst, werde ich in Erwägung ziehen, die Scheiße aus dir rauszuprügeln. Hast du mich verstanden?«
    Kamp kläffte und sprang vor Vergnügen auf und ab.
    Musiol nickte hastig, hielt sich an Gregors Arm fest und zappelte mit den Beinen. Schließlich ließ Gregor ihn langsam wieder herunter.
    »Bitte um Entschuldigung, gnädige Frau. Diese Art Auftritt ist eigentlich nicht typisch für mich. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, sollten Sie Ihre Kriterien bei der Partnerwahl überdenken.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht mehr notwendig.«
    Der Bote presste die Lippen zusammen und nickte. Er nahm Kamp auf den Arm, warf dem zitternden Musiol einen letzten Blick zu, mit dem man einen Tunnel durch ein Felsmassiv hätte bohren können, und verließ die Wohnung.

Grippe
     

     
     
    Nach dem unerwarteten Verlauf dieses Zwischenspiels hielten es Kamp und Gregor für angebracht, noch etwas Gescheites essen zu gehen. Die Vorräte der anderen Boten waren eher ungeeignet, das Bedürfnis nach einer vernünftigen Mahlzeit zu stillen. Außerdem verspürte Gregor Lust, sich ein paar alkoholische Getränke zu gönnen.
    Kamp war stolz auf Gregor. Die Art und Weise, wie er seinem Ex-Kollegen eingeheizt hatte, war Balsam für seine geschundene Seele. Da er im Prinzip nur noch aus Seele bestand, kein unwichtiger Aspekt. Zu gern hätte er diesen Part, trotz seiner grundsätzlich pazifistischen Einstellung, selbst übernommen. In seiner derzeitigen Erscheinungsform waren ihm nur leider bestimmte Grenzen gesetzt. Der Gedanke, Musiol zu beißen, war ihm dummerweise erst gekommen, als der schon an Gregors Arm hing.
    Sie verspeisten eine ausgiebige, mit gesunden Bestandteilen versetzte Mahlzeit und ließen sich ein paar Einheiten ihrer Lieblingsgetränke kommen. Kamp bekam schwarzen Tee in einer Schüssel und Gregor Kölsch mit verwunderten Blicken serviert.
    »Fällt dir noch eine Möglichkeit ein, wie wir heute für Aufruhr sorgen können?«, fragte Gregor und sog genüsslich an seinem Getränk.
    »Nein, ich glaube für heute haben wir genug Angst und Schrecken verbreitet. Eine solide Basis, auf der wir morgen aufbauen sollten.«
    »Gute Idee.«
    Kamp erwischte sich dabei, wie er immer ernsthafter darüber nachdachte, ebenfalls ein Bote zu werden. Ihn beschlich das Gefühl, genau zu diesem Zweck ins Jenseits gelangt zu sein. Ihm gefiel das, was Gregor machte. Verzweifelten Seelen zu helfen war eindeutig etwas Gutes, und man konnte sogar seine Kreativität dabei einsetzen. Die Macht, die einem verliehen wurde, war ebenfalls ein nicht zu ignorierendes Lockmittel.

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