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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Kunden seinen Blick zu.
    »Ich habe einen Führerschein.« Lara legte ihn auf den Schalter.
    Er kratzte an einem Pickel am Kinn und brachte dann ein Formular zum Vorschein. »Wenn du hier bitte unterschreiben würdest.«
    Sie kritzelte auf das Papier.
    Der Bankangestellte zeigte auf eine Dame in marineblauem Kostüm. »Frau Coons hilft dir weiter.«
    Ich musste an mich halten, um nicht laut zu schreien.
    Frau Coons brachte uns in einen kleinen Raum. »Den Schlüssel, bitte. Dann kann ich die Box aus dem Schließfach nehmen.«
    Meine Hand zitterte ein wenig. »Nummer einunddreißig.«
    Sie nahm ihn nicht entgegen. »Dieser Schlüssel ist nicht von hier.«
    Lara stöhnte leise.
    »Entschuldigung.« Ich betrachte den Schlüssel, als würde ich ihn jetzt erst richtig sehen. »Da habe ich wohl aus Versehen den falschen mitgenommen.«
    »Ich wüsste jetzt nur noch die Zitybank«, sagte Lara, als wir im Auto saßen.
    Der Name kam mir bekannt vor! Heimlich drückte ich die Daumen. Wir mussten ein ganzes Stück entfernt parken, denn vor der Tür stand eine Menschentraube.
    »Ob da etwas passiert ist?«, fragte Lara.
    Zitybank. Auf einmal wusste ich es wieder. Die Nachrichten im Radio. »Die Bank ist pleite. Die wollen bestimmt alle noch schnell ihr Geld retten.«
    Wir zwängten uns durch die zahllosen Rücken ins Gebäude. Wenn sich jemand beschwerte, wir würden uns vordrängeln, rief Lara: »Verzeihung, Personal.«
    Auch drinnen war Panik ausgebrochen. Die Bankangestellten versuchten, allen zu helfen, doch die Kunden waren ungeduldig und wütend.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schaute mich um. »Dorthinten sind die Schließfächer.«
    Wir stürzten uns ins Gewühl. Das Personal war so damit beschäftigt, die Kunden zu beschwichtigen, dass niemand auf uns achtete. Wir schlüpften in den Gang mit den Schließfächern. Die ganze Zeit umklammerte ich das Schlüsselchen in meiner Tasche und versuchte, es zu beschwören.
    »Dort«, flüsterte Lara.
    Ganz viele graue Schließfächer mit Ziffern. Meine Finger glitten über die Nummern. Neunundzwanzig, dreißig, EINUNDDREISSIG. Auf einmal traute ich mich nicht mehr. Solange ich es nicht probiert hatte, konnte der Schlüssel noch passen und es gab Hoffnung.
    Lara gab mir einen Schubs. »Nun mach schon.«
    Sie war mindestens so angespannt wie ich, aber eher wegen der Bankangestellten. Auf jeden Fall sah sie sich ständig um.
    Ich zog den Schlüssel aus meiner Tasche und ließ ihn vor Nervosität auf den Boden fallen. Lara schob mich ungeduldig zur Seite und hob ihn auf. Sie schaute auf die Ziffern und steckte das Schlüsselchen ins Schloss. Zumindest versuchte sie es.
    Es passte nicht.
    Zum zigsten Mal fuhren wir über die Grasebene. Mich beschlich das unangenehme Gefühl, den Rest meines Lebens über diese Straße hin- und herfahren zu müssen.
    »Hast du die Nase voll?«, fragte Lara.
    Blöde Frage!
    »Wir können noch mehr Banken suchen«, sagte sie. »Wenn wir zu Hause sind.«
    Was heißt hier zu Hause, dachte ich verächtlich. Zu Hause, da waren Eltern und sonstige Familienmitglieder und Freunde. Ein Ort, an dem man jedem vertrauen konnte und wo es so sicher war, dass man weinen und offen die Wahrheit sagen konnte, ob die nun angenehm war oder nicht, denn zu Hause wurde man geliebt und früher oder später wurde einem alles verziehen. Ich hatte kein Zuhause, sondern nur ein Bed & Breakfast, für das ich auch noch bezahlen musste.
    »Morgen reise ich ab«, sagte ich heiser.
    »Morgen schon?« Sie fuhr langsamer. »Aber du hast deine Eltern noch nicht gefunden.«
    »Mein Geld ist alle.«
    Sie hielt an und machte den Motor aus. »Kannst du deine Adoptiveltern nicht bitten, dir Geld zu schicken?«
    »Sie sind im Urlaub, ich kann sie nicht erreichen.« Ich erschrak, wie spontan meine Ausrede kam. Ein paar Tage lügen und es wurde schon fast zur zweiten Natur. Ich brauchte nicht einmal mehr nachzudenken.
    Aber Lara dachte sehr wohl nach. »Ich sage Tante Bobbie, dass du erst später bezahlst. Wenn du wieder zu Hause bist, schicken wir dir einfach eine Rechnung.«
    Warum machte sie das? Wollte sie unbedingt, dass ich blieb? Wahrscheinlich hatte sie Mitleid, wie man es mit einem armen Straßenköter hatte.
    »Ich muss mal pieseln.« Sie stieg aus und schaute sich um. »Ich hocke mich hinter das Auto, nicht heimlich gucken!«
    Und dann war ich allein. Ich trommelte auf das Armaturenbrett. Ich schubste die staubigen Würfel an, die am Rückspiegel hingen. Ob ich fahren konnte?

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