Boy 7
Mithilfe einer kleinen Kamera auf ihrem Rücken konnten sie die unter Schutt begrabenen Opfer finden. Und wie wäre es mit Hightech-Haien?! Weil sie so gut riechen können, werden sie beim Aufspüren von Seeminen eingesetzt. Cyborg-Insekten sind laut Verteidigungsministerium die Zukunft. Motten oder Käfer mit eingebauten Elektroden und einer winzig kleinen Kamera mit Mikrofon können den Feind ausspionieren. Viel unauffälliger als ein Spionageflugzeug.
Jeder einzelne Artikel war todernst gemeint, aber ich hatte das Gefühl, einen Fantasythriller zu lesen. Und plötzlich stieß ich auch auf die Abkürzung, die im Ordner Digital Boy steht: RFID.
Jetzt weiß ich also, was das bedeutet: Radio Frequency Identification. Einfach ausgedrückt: Identifikation über Funkwellen. So kann man – mithilfe von Weltraumsatelliten und einer Sammelstation auf der Erde – aus der Distanz Informationen von einem Chip speichern oder ablesen, der sich in oder auf einem Gegenstand befindet.
Oder in einem Menschen.
Dass es Haustiere mit einem Chip gibt, wusste ich schon. Aber gechipte Menschen ... Die Boys sind nicht die einzigen, wie ich zuerst dachte. Es gibt noch mehr Menschen, die einen Empfänger/Sender haben implantieren lassen. Freiwillig! Etliche Bergsteiger zum Beispiel. Damit sie immer aufgespürt werden können, wenn sie sich verirren oder verunglücken. Auch einige Millionäre, weil sie Angst haben, sie könnten von jemandem entführt und ohne Chip nicht mehr gefunden werden.
Und die Regierung segnet das auch noch ab! 2004 haben sie zugestimmt, dass der RFID-Chip für medizinische Zwecke verwendet werden darf. Ärzte können in Zukunft Tag und Nacht die Gesundheit überwachen, ohne dass sie extra dafür vorbeikommen müssen. Und wenn man bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert wird, kann blitzschnell die Krankenakte abgefragt werden. Ein solcher Chip wirkt offensichtlich durch die Bewegung der Muskeln. Dem Namen Digital Boy begegnete ich nirgends, wohl aber allerlei anderen Begriffen: Digital Angel, VeriChip, MMEA. In wenigen Jahren brauchen wir vermutlich keine Ausweise oder Karten mit Pincodes mehr. Dann läuft man einfach am Scanner des Supermarkts vorbei und der Betrag wird automatisch vom Konto eingezogen. Praktisch, sagen die Erfinder. Mir ist es nur unheimlich. Als wäre man in einem elektronischen Käfig eingeschlossen.
Die Weißkittel gehen noch viel weiter als aufspüren und überprüfen. Sie versuchen, die Macht über unser Gehirn zu erlangen. Ein einziger Druck auf den Knopf der Alarmschnur und wir machen genau, was sie wollen – oder jedenfalls nach einer Weile, wenn der Mikrochip gut eingestellt ist. Ich glaube, wir sind hier nicht aufgenommen worden, damit sich unser Verhalten bessert. Die Weißkittel benutzen uns, um ihre neue Technologie an uns auszuprobieren. Und zwar so lange, bis sie fehlerlos arbeitet und sie den Digital Boy in der echten Welt gebrauchen können.
Ich muss alle warnen, bevor es dazu kommt!
Unbemerkt hatte sich meine Atmung beschleunigt. Na ja, ohne dass ich es merkte – der Chip hinter meinem Ohr hatte es wahrscheinlich schon längst registriert. CooperationX konnte nicht nur feststellen, wo ich war, sie wussten offensichtlich alles von mir. Wie ein großes, unsichtbares Auge lugten sie mir bei allem, was ich tat, über die Schulter. Vielleicht wussten sie sogar, dass ich das Notizbuch und den Stick gefunden hatte! Während ich las, konnten längst bewaffnete Männer das Haus umstellt haben. Hörte ich da nicht etwas auf dem Dach?
Ich musste schnell handeln. Wenn sie mir die Beweise wegnahmen, würde mir niemand mehr glauben.
Der Laptop! Ich konnte die Informationen von dem Stick möglichst vielen Zeitungen und Fernsehanstalten mailen. Journalisten waren von Berufs wegen neugierige Menschen. Wenn sie nicht ganz verstanden, um was es ging, würden sie bestimmt weitersuchen.
Ich steckte den Stick in den Port und starrte gespannt auf den Schirm.
Es war, als würde mir jemand einen Eimer eiskaltes Wasser ins Gesicht schütten. Auf dem Stick war keine Adressliste und auch kein Digital-Boy-Ordner. Nur ein anderes Dokument, das ich nicht kannte. Hatte ich etwas falsch gemacht? Das konnte doch nicht sein? Kopieren war ein Kinderspiel, sogar für Computeranalphabeten, also in meinem Fall ...
Ich ging mit dem Cursor auf das unbekannte Dokument und klickte es auf.
Es war eine Buchbesprechung für die Schule. Oben standen der Buchtitel und der Autor, der Name des Lehrers, das Fach,
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