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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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bloß ...
    Natürlich! Dieses Notizbuch ist mein Back-up! Darin stehen alle Informationen, die ich brauche, und ich kann vorher genau aufschreiben, was ich nach meiner Flucht tun muss. Ich brauche es nur mit hinauszuschmuggeln.
    Aber wenn ich genau wie Louis geschnappt werde? Dann beschlagnahmen sie natürlich sofort mein Notizbuch und den Rest könnte ich dann wohl vergessen.
    Ich muss es also irgendwo verstecken, bevor ich die Flucht ergreife! An einem Ort, an dem ich es später wiederfinden kann. Oder wo jemand anderes es finden kann, wenn ich mich nicht mehr erinnere. Jemand von außen, jemand, dem man vertrauen kann und der keinen Chip im Leib hat. Sobald der Inhalt dieses Hefts veröffentlicht ist, kann keiner es mehr leugnen. Dann werden die Weißkittel verhaftet und wir werden befreit. Nur ...
    Es gibt bestimmt noch mehr graue Gebäude mit einem Turm. Ist meine Beschreibung auch deutlich genug? Hätte ich doch bloß eine Abbildung.
    Der Versammlungsraum! Dort habe ich ein Foto hängen sehen.
    Das Foto des grauen Gebäudes. Deswegen hatte ich es in meinen Rucksack gesteckt.
    Mit der Schere habe ich mich hinuntergeschlichen. Es stimmte, ich hatte mich nicht geirrt! Neben dem Vorhang hing ein Foto der Einrichtung. Ich öffnete den Rahmen, zog das Foto heraus und hängte den leeren Bilderrahmen wieder zurück.
    Schlechte Idee. Das würde sofort auffallen.
    Es sei denn, ich würde etwas hineinstecken, was so ähnlich aussah.
    In einem vertrauten Umfeld achten die Leute selten oder nie auf ihre Umgebung. Wenn unser Nachbar plötzlich vom Erdboden verschwunden wäre, hätte das bestimmt jemand gemerkt. Aber als er seinen Schnurrbart abrasiert hat, ist es mir nicht aufgefallen. Der Nachbar war noch da, also dachte sich mein Gehirn den Schnurrbart von allein dazu.
    Das Foto hing schon seit ewigen Zeiten dort, die Wand um den Rahmen war vergilbt. Ich setzte darauf, dass die Weißkittel nicht mehr wirklich hinschauen würden.
    In einem der Büros fand ich einen Kalender mit Abbildungen berühmter Gebäude. Das Februarfoto zeigte eine graue Kirche mit Turm. Ich riss das Blatt heraus, schnitt das Foto auf das richtige Format und rahmte es ein. Das musste reichen.
    Jetzt muss nur noch meine Theorie stimmen.
    Ich habe Louis von meinen Plänen erzählt. Da sagte er etwas Schreckliches: »Sie lassen dich erst einen Außentest machen, wenn du einen Chip im Körper hast.«
    Wie habe ich das übersehen können?
    Er hat recht. Das ist die einzige Methode, mein Notizbuch und den USB-Stick rauszuschmuggeln und selbst zu entkommen. Ich muss mich den Weißkitteln ausliefern und mir einen Chip in den Leib schießen lassen. Aber wie soll es weitergehen, wenn ich danach nichts mehr weiß?
    »Ich lasse dich sofort dein Notizbuch lesen«, versprach Louis.
    Noch nie habe ich so große Angst gehabt.
    11
    Ich bin zum letzten Mal in das Ärztezimmer gegangen, um nachzusehen, ob das Behandlungsdatum schon in meine Akte eingetragen wurde. Während der Computer hochfuhr, wühlte ich in der obersten Schublade, in der Hoffnung, etwas zum Naschen zu finden. Schokolade, Kaugummi ... Bald weiß ich vielleicht schon nicht einmal mehr, wie das schmeckt.
    Leider war gar nichts Essbares zu entdecken. Ich wollte die Schublade wieder schließen, aber irgendetwas klemmte. Als ich mit der Stablampe bis ganz nach hinten leuchtete, sah ich eine Kartonecke herausragen. Es war eine Mappe mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln. Ich nehme an, dass jemand die Schublade so schwungvoll aufgezogen hat, dass sich die Mappe über den Rand geschoben hatte und dann an der Rückwand landete. Den Staubmäusen nach lag sie da schon eine ganze Weile. Außerdem waren es vor allem alte Schnipsel, manche sogar schon vor der Jahrtausendwende publiziert.
    Mann, was da alles drinstand. Das müsste man uns mal in der Schule beibringen!
    Ich las über José Delgado, einen Professor an der Yale-Universität. Er hatte entdeckt, dass sich Tiere auf Kommando bewegen ließen, wenn man in einem bestimmten Bereich ihres Gehirns eine Elektrode implantierte. 1963 veranstaltete er in einer spanischen Stierkampfarena eine Show. Er ließ einen wütenden Stier auf sich zurennen, bis das Tier schon nah bei ihm war, drückte dann auf den Knopf der Fernbedienung und – der Stier bremste und drehte um.
    Wenn ich den Artikeln Glauben schenken konnte, gibt es noch viel mehr Tiere mit Geräten im Gehirn. Nach einem Erdbeben verwendeten Rettungsarbeiter zum Beispiel per Fernbedienung lenkbare Ratten.

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