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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Redakteur spricht. Oder vielleicht hat er sich irgendwo versteckt und muss warten, bis der Morgen graut und sich die Bürotüren öffnen ...
    Vorhin konnte ich nicht mehr weiterschreiben. Auf dem Flur erklangen Schritte. Ich schob mein Notizbuch, den Stift und die Stablampe schnell unter mein Kissen und stellte mich schlafend.
    Gerade noch rechtzeitig! Die Weißkittel kamen herein. Mit Louis!
    »Morgen wird er wieder durcheinander sein«, hörte ich einen Weißkittel sagen. »Er wollte weglaufen, also mussten wir die Standardprozedur anwenden.«
    Mir brach der kalte Schweiß aus. Ich presste meine Fingernägel in die Handflächen.
    »Wo bin ich?« Louis’ Stimme.
    »Das obere Bett ist deins«, sagte ein Weißkittel. »Leg dich ruhig hin.«
    Die Decke raschelte. Louis summte vor sich hin, aber es klang alles andere als fröhlich. Die Weißkittel verließen das Zimmer und schlossen die Tür. Sofort war es wieder stockdunkel. Das Bett über mir bewegte sich und Louis summte immer weiter. Ich wartete fünf Minuten, bis ich sicher war, dass die Weißkittel nicht heimlich auf dem Flur standen und lauschten.
    Dann knipste ich die Stablampe an und stellte mich auf den kühlen Boden.
    »Louis«, flüsterte ich.
    Keine Reaktion.
    »He, Louis, was ist passiert?« Ich richtete den Lichtstrahl auf sein Bett und sah in ein Paar erschrockene Augen.
    Summ, summ. Er streichelte seinen Kopf.
    Ich musste an einen Schimpansen denken, den ich einmal in einem Dokumentarfilm gesehen hatte. Das arme Tier war gefangen und in einen Käfig gesteckt worden. Bis der Affe von ein paar Tierschützern befreit worden war, hockte er teilnahmslos in einer Ecke und stieß erbärmliche Laute aus. Sein Kopf war vom vielen Reiben kahl wie eine Billardkugel.
    »Hab keine Angst«, sagte ich. »Ich bin es, Sam.«
    »Sam?« Louis sah mich misstrauisch an. »Ich kenne keinen Sam.«
    »Seven, kennst du den? Ich teile das Zimmer mit dir. Und du bist Louis.«
    »L-Louis?«
    »Ja, aber die Weißkittel nennen dich Six.«
    Seine Hand lag jetzt ruhig auf den Haaren. »Sind das die Leute von eben?«
    »Ja, sie halten uns hier gefangen.« Ich kam einen Schritt näher. »Weißt du das denn nicht mehr?«
    Mit wildem Blick zog er die Bettdecke fester um sich. »Ich weiß nur noch, dass ich auf der Straße stand. Diese weiß gekleideten Leute hielten mich fest und schoben mich in einen Transporter. Sie brachten mich hierher und jetzt ...« Er summte wieder.
    Auf einmal begriff ich, was die Worte des Weißkittels bedeuteten: Standardprozedur. Sie hatten Louis’ Gedächtnis gelöscht. Nicht nur Stückchen, wie anfangs, sondern all seine Erinnerungen.
    Standardprozedur bei Weglaufen ... Hatten sie meine Erinnerungen gelöscht, damit ich nichts mehr weitererzählen konnte?
    Die Alarmschnur!
    Ich kletterte auf das obere Bett, um die Deckenplatte anzuheben. Das Summen brach ab. »Was machst du?«, fragte Louis ängstlich.
    Da war sie.
    »Ich möchte, dass du dein Gedächtnis zurückbekommst.« Ich konzentrierte mich mit aller Kraft und drückte auf den kleinen Knopf. »Erinnerst du dich schon an etwas?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Denk nach«, sagte ich verzweifelt. »Von jetzt an weißt du alles wieder.« Ich drückte und drückte, bis mein Daumen schmerzte. »Ich will, dass du dich an deinen Namen erinnerst und an meinen und wie du hierhergekommen bist.« Ich hielt die Alarmschnur dicht an die Warze.
    Louis fasste sich an die Ohren und seine Augen quollen vor. »Hör auf!«
    Ich pfefferte die Alarmschnur durchs Zimmer. Misslungen. Wut und Enttäuschung brachen sich Bahn. Wenn das nicht funktionierte, würde Louis sein Gedächtnis also nie wieder zurückbekommen.
    Mein Hals schnürte sich zu. Das hieß ...
    Wir haben geredet und geredet und Louis hat mein Notizbuch zum zweiten Mal gelesen. Ich glaube, er war ziemlich stinkig auf mich, weil ich ihn gebeten hatte wegzulaufen. Aber ich konnte doch nicht wissen, dass diese dämlichen Weißkittel all seine Erinnerungen löschen würden!
    Den ganzen Tag habe ich mir den Kopf zerbrochen.
    Abhauen aus dem Gebäude: unmöglich.
    Abhauen während des Außentests: zu großes Risiko. Falls ich überhaupt wegkomme, löschen sie mein Gedächtnis und dann kann ich die Presse nicht mehr informieren. Dann vergesse ich sogar, dass ich das tun wollte.
    Wäre es nur so leicht wie bei Computern. Man macht ein Back-up der Festplatte, damit alle Daten erhalten bleiben, auch wenn die Festplatte gelöscht wird. Könnte ich mein Gehirn doch auch

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